Die Caipiranha

Es gibt kein Getränk, das typischer für Brasilien ist, als die Caipirinha. Auch in Deutschland ist die „Caipirinha“ oder „Caipi“, wie sie gelegentlich abgekürzt wird, sehr beliebt. Bestellt man in Brasilien oder in Deutschland eine „Caipi“, dann bemerkt man doch einen deutlichen Unterschied. Einzig gleich ist beiden, dass ich jeweils nur wenige von ihnen trinken kann. 😉

In Deutschland bekomme ich ab der dritten „Caipi“ Sodbrennen und in Brasilien bin ich ab der dritten „Caipi“ gelegentlich (es gibt Bars, die liefern in Gläsern zu 400ml) voll wie eine Strandhaubitze, weshalb wir in meinem Bekanntenkreis lieber von einer „Caipiranha“ sprechen.

Tatsächlich ist es so, dass die „Caipi“ in Brasilien und in Deutschland unterschiedlich zubereitet wird und letztlich auch anders schmeckt. Ob die Unterschiede der Rezepturen durch Kommunikationsschwierigkeiten oder rein wirtschaftliche Hintergründe begründet sind, sei mal dahingestellt.

Unterschied 1:  Der Cachaça

Wer in Deutschland eine „Caipi“ bestellt unterstellt, dass ausschließlich Cachaça, ein brasilianischer Zuckerrohrschnaps, eingesetzt wird. Verwendet wird dabei in der Regel die klare, ungelagerte Variante.

Wenngleich dieser einfache (klare) Cachaça in Deutschland teilweise teuer verkauft wird, hat er in Brasilien doch eher den Ruf eines billigen Fusels und wird deshalb umgangssprachlich oft als Pinga (= Fusel) bezeichnet. Je nach Qualität dieses Brandes schmeckt er mehr oder weniger nach seinem Ausgangsprodukt, dem Zuckerrohr. Diesem nicht immer tollen Beigeschmack kann nur mit Zugabe von viel Limette entgegnet werden.

Das soll jetzt nicht heißen, dass man um den klaren Cachaça einen Bogen machen sollte, aber die Bandbreite der Qualitäten ist groß. Dieser klare Cachaça wird in der Regel auch in Brasilien verwendet, wenn man eine Caipirinha bestellt. Dass es sich dabei dann nicht immer um ein Premiumprodukt handelt, kann man an dem relativ niedrigen Preis für ein solches Getränk erkennen.

Brasilianer, denen es nicht nur auf den Alkoholgehalt ankommt, haben deshalb eine Vielzahl von Varianten ausprobiert und etabliert. Der Besucher aus Deutschland muss sich außerhalb von touristischen Hotspots auf Gegenfragen einstellen, wenn er denn eine „Caipi“ bestellt.

Die eine Variante besteht darin höherwertigen Cachaça zu verwenden. Häufig bieten Gastgeber und einige Bars höherwertigen Cachaça an, der sich auch deutlich im Geschmack bemerkbar macht. Dieser wird meistens in Fässern gereift und kann in der Flasche, je nach Qualität, auch einige hundert Euro kosten.

Der Geschmack solcher Cachaças hat nichts mehr mit einfachen Zuckerrohrschnäpsen zu tun, sondern kann es durchaus mit hochklassigen Bränden aus Europa aufnehmen. Entsprechend finden gerade die Cachaças höchster Qualität selten in einer Caipirinha ihr Ende, sondern werden wie Whisky oder Cognac zelebriert.

Sollte man sich in einem besseren Restaurant oder einer etwas besseren Bar befinden kann es sich lohnen nachzufragen ob es denn eine Auswahl von Cachaças für die „Caipi“ gibt. In größeren Orten finden sich immer Läden, die auf den Verkauf besonderer Cachaças spezialisiert sind und eine sehr große Auswahl bieten.

Die andere Variante ersetzt den Cachaça gleich durch andere Schnäpse, wie Wodka, Korn, Rum oder ähnliches, wobei auch Schnäpse aus Deutschland sehr beliebt sind. Wird der Cachaça durch Wodka ersetzt spricht man von einer „Caipiroska“ oder abgekürzt einer „Caipira“. Diese stellt auch die am häufigsten anzutreffende Variante dieser Art dar.

Im brasilianischen ist das Wort „Cachaça“ übrigens weiblich, während man in Deutschland sowohl die „Cachaça“ als auch der „Cachaça“ sagen kann. Ich halte es, wie man lesen konnte, mit letzterem.

Unterschied 2: Der Zucker

Wie auch immer der grobe braune Rohrzucker seinen Weg in die deutsche Caipirinha gefunden haben mag, „brasilianisch“ ist es nicht seine „Caipi“ damit anzurichten. Es stimmt zwar, dass in Brasilien Zucker aus Zuckerrohr verwendet wird, dieser ist jedoch meistens weiß und relativ fein. Er löst sich sogar schneller auf, als der in Deutschland übliche Raffinadezucker. So bilden Zucker und Säure der Limetten in Brasilien ein Gleichgewicht.

Anders in Deutschland. Da kann sich der grobe Rohrzucker nur schwer auflösen, die „Caipi“ schmeckt teilweise sauer und bei mir setzt relativ schnell Sodbrennen ein. Ich habe das mit vielen Bekannten in Deutschland besprochen, aber ohne den braunen Rohrzucker ist es für sie keine „Caipi“. Das kommt davon wenn man fremde Bräuche, Gerichte und Getränke nur vom Hörensagen her kennt! 😉

Weil sich aber auch der in Deutschland verkaufte Raffinadezucker (meistens aus Zuckerrüben) nur schwer auflöst, war ich selbst nicht mit dem Ergebnis zufrieden, als ich nur diesen ausprobierte.

Aus dem Grunde stelle ich mir heute meinen eigenen „Caipi-Spezialzucker“ her. Er ist einfach zusammengerührt. In etwa gleichen Teilen mische ich braunen Rohrzucker mit Puderzucker. So erreiche ich erstens dass sich ausreichend Zucker schnell auflöst und die Säure der Limetten bindet und zweitens auf den Zähnen das (besonders in Deutschland) erwartete Knispern einstellt. Die bisherigen Rückmeldungen waren durchaus positiv – sogar von Brasilianern. 😉

Unterschied 3: Das Eis

Eine Regel deutscher Barkeeper lautet „Bloß kein einfaches Eis verwenden“! So gilt es inzwischen als „Muss“, dass zumindest zerstoßenes Eis verwendet wird. In Brasilien habe ich aber noch keine „Caipi“ mit zerstoßenem Eis angeboten bekommen.

Wo kommt der Unterschied her? Eine einfache Erklärung ergibt sich daraus, dass Alkohol in Deutschland hoch besteuert und damit teuer ist. Je Getränk sollte (aus Sicht der Barkeeper) deshalb möglichst wenig vom (teuren) Alkohol eingesetzt werden.

Tatsächlich ist es auch so, dass zerstoßenes Eis deutlich mehr Raum ausfüllt als einfache Eiswürfel und somit weniger Raum für den aufzufüllenden Cachaça bleibt. Das Glas ist also schneller voll, bei weniger Einsatz von Cachaça oder anderer Alkoholika.

Wirtschaftlich betrachtet hat das für die Bar zwei Vorteile. Erstens kann man mit geringerem Einsatz von Alkohol je Getränk Geld sparen und zweitens können die Gäste mehrere Getränke bestellen bevor sie umfallen. Das mit den „mehreren Getränken“ scheitert bei mir aber an dem bereits erwähnten Sodbrennen.

– Zeit für ein Limettenkaltgetränk 😉 –
Caipi 2

Umgekehrt überrascht den deutschen Besucher die enorme Menge an Alkohol, die sich in einer üblichen brasilianischen „Caipi“ befindet. Selbst mir ist es schon mehrfach passiert, dass ich nach ein oder zwei „Caipis“ gerade eine weitere „Caipi“ nachbestellt hatte und noch bevor diese eintraf die Wirkung der vorausgegangenen Becher spürbar einsetzte. Eigentlich kein Wunder bei Bechern von 300ml oder 400ml – macht mehr als eine halbe Flasche Pingo aus. Zum Glück bin ich einiges gewohnt. 😉 Ich rate aber in jedem Falle dem unerfahrenen Besucher Brasiliens zur Vorsicht.

Unterschied 4: Die Limette

Klassisch bildet die Limette den Vitaminzuschlag für jede Caipirinha. Und selbstverständlich ist sie auch in Brasilien weiterhin der Standard. Dennoch gibt es bereits viele Bars und Restaurants, die auf zusätzliche geschmackliche Varianten setzen. Sehr beliebt sind inzwischen Ananas, Erdbeer, Kiwi und „Rote Früchte“ (entsprechen in etwa unseren „Waldfrüchten“).

Unterschied 5: Wann getrunken?

In Deutschland ist die Caipirinha das typische Getränk für den Einstieg in einen interessanten Sommerabend. In Brasilien hingegen wird die Caipirinha zu allen möglichen Gelegenheiten getrunken. Sie kann ein Aperitif vor dem Mittags- oder Abendessen sein oder das gesamte Essen begleiten.

In jedem Falle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass in Brasilien mit dem Cachaça nicht so sparsam umgegangen wird wie in Deutschland. Wer also nicht möchte dass sich die „Caipirinha“ zu einer „Caipiranha“ wandelt, sollte in Brasilien damit entsprechend vorsichtig sein. Die cleveren Einsteiger bestellen sich deshalb immer ein Wasser zu der Caipirinha und schütten damit immer wieder nach. Für eingefleischte und erfahrene „Caipi“-Trinker ist das natürlich ein ekelhafter Frevel! 😉

„Caldo de Cana“ / „Garapa“

„Caldo de Cana“ (wörtlich: Zuckerrohrbrühe) ist die vollkommen alkoholfreie Variante der Caipirinha, sie wird auch „Garapa“ genannt. Dabei handelt es sich um frisch ausgepresstes Zuckerrohr, dem beim letzten Durchlaufen der Presse einige Limetten beigelegt werden.

– Auspressen des Zuckerrohrs –
01-25-2016_174715 (c)

Serviert mit Eiswürfeln stellt sie ein leckeres Erfrischungsgetränk dar, das geschmacklich nahe an einer Caipi und insbesondere empfehlenswert bei körperlicher Erschöpfung ist. Denn es enthält eine sehr hohe Konzentration an Zucker und Mineralien, welche so schnell dem Körper zugeführt werden. Andererseits sollte man trotz des tollen Geschmacks auch davon nicht zu viel trinken, weil es eben sehr viel Zucker enthält.

Abschließend muss ich natürlich unterstreichen, dass wer in Brasilien war und dort weder „Caipi“ noch „Garapa“ getrunken hat, der hat vom Land nicht viel mitbekommen. Beide Getränke sind Teil brasilianischer Kultur und Selbstverständniss.