Brasilien 2016 – Tag 10 – Regen im Märchenland

Wir waren spät in der Nacht in unserer Pousada angekommen und hatten gleich bei der Ankunft um ein „Spätes Frühstück“ gebeten. Das ist einer jener Vorteile, den kleine Pousadas haben. Alle hatten dafür Verständnis gehabt, vor allem der Herr des Hauses, der bis in die Nacht auf uns warten musste. Die kleine Pousada, auf halbem Weg zwischen Nova Petropolis und Gramado, war ein Haus, in dem lediglich die Gäste schliefen. Die Eigentümer und Betreiber wohnten in einem anderen Haus und hatten nur unseretwegen hier ausgeharrt.

Eigentlich liebe ich es, wenn es nachts geregnet hat und morgens dieser Nebel über der Landschaft liegt. Die Luft ist angenehm feucht und frisch, noch nicht so stickig, wie die aufgewärmte Schwüle des Tages. Ich war nicht alleine und zu der aufsteigenden Feuchtigkeit regnete es obendrein – das sind die Tage die kein Reiseleiter mag. Es schränkt die Beweglichkeit ein und die Leute sind meistens nicht so gut drauf.

– Frisches Grün am Morgen –
Gramado - Canela (DE) (29)

Das Frühstück war für ein so kleines Haus ordentlich. Aber die Wetterbedingungen schienen zu wirken und nicht jedem war es gelungen seinen Miesepeter unter der Dusche abzustreifen. Vor allem „Ungern“ hatte wieder alles Mögliche an der gestrigen Reise auszusetzen. Alidor wäre gefahren wie ein Henker und wir wären viel zu spät angekommen! Waren es nicht sie, die immer wieder nach einer Pause verlangten und für uns anderen den gestrigen Tag zur Tortur machten?

Sollte ich darauf aufmerksam machen, dass alle schon vor Beginn der Reise wussten, dass der gestrige Tag lang werden würde? Sollte ich darauf hinweisen, dass die vielen P-Pausen auch ihren Beitrag geleistet hätten, wie auch der eine oder andere Sonderwunsch? Sollte ich darauf hinweisen, dass das gestrige Genörgel auch für uns anderen kein Vergnügen war? Ich stopfte mir mein Brötchen in den Kopf!

Was macht man mit so einer Truppe? Wären die beiden anderen Mitreisenden nicht dabei gewesen, dann hätte ich Alidor einen Einzelauftrag gegeben, sie alleine nach Gramado geschickt und wäre mit meiner Frau ein wenig spazieren gegangen durch die Landschaft. Das wollte ich den beiden anderen aber nicht antun!

Nachdem jeder sein Frühstück verputzt hatte und wir uns alle noch einmal gesammelt hatten, fragte ich besondere Interessen ab, z.B. den Besuch bestimmter Museen, etc.. Ich zählte einiges auf, aber da kamen keine expliziten Vorgaben, so dass ich vorschlug erst einmal durch die Städte zu fahren und falls irgendetwas auffallen solle, dann könnten wir dort noch immer halten.

Wir machten uns auf den Weg in Richtung Gramado. Nicht weit von der Pousada entfernt gab es ein Feigenfest, bei dem aber zu diesem Zeitpunkt noch nichts los war.

– Auch hier am Wegesrand – Fachwerk –
Gramado - Canela (DE) (7)– Kleines Einkaufszentrum mit Türmchen –
Gramado - Canela (DE) (8)– Idylle mit Hortensien –
Gramado - Canela (DE) (9)

Wir fuhren durch eine saftig-grüne Landschaft, die von gelegentlichen Nebelschwaden unterbrochen wurde. Der Straßenrand war oft geschmückt von Hortensien. Neben älteren Büschen fiel auf, dass weitere neue kleine Stauden angepflanzt wurden, so dass in einigen Jahren die Straßen durchgehend mit Hortensien eingerahmt sein könnten.

Durch ihre Form mit astlosem Stamm und einer fast kugelförmigen Krone fällt die „Brasilianische Araukarie“ auf. Sie wird auch „Brasilkiefer“ und von den Brasilianern „Pinheiro-do-Paraná“ genannt. Gerade hier in den Gauchobergen und auch im gesamten Hinterland Südbrasiliens ist sie ein Baum, welcher das Landschaftsbild prägt.

– Palmen, Hortensien und Araukarien sind die Hauptpflanzen –
Gramado - Canela (DE) (10)

Nach einiger Zeit erreichten wir die Mautstation. Im Stil der üblichen Bebauung der Region errichtet vermittelt die Mautstation eher den Eindruck eines Kassenhäuschens, bei dem ein Eintrittsentgelt zu zahlen ist. Auch wenn die Straßen durch ein landschaftlich schönes und möglicherweise technisch anspruchsvolles Gelände führen ist nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet an dieser Stelle (am anderen Ortsausgang noch einmal) eine Mautstation errichtet wurde. Außer es geht um eine Art Kurtaxe.

– Maut- (Kurtaxe-) Station –
Gramado - Canela (DE) (11)

Direkt hinter der Mautstation befindet sich die Skihalle von Gramado. Ich hatte mich lange gefragt, was denn in diesem langen Gebäude verborgen sein könnte, denn auf den ersten Blick wirkte es eher wie ein Shopping Center, ein Großmarkt oder eine Lagerhalle. Außen findet sich außen nicht viel was auf die tatsächliche Funktion des Gebäudes hinweist.

– Skihalle mit Fachwerk und Windmühle –
Gramado - Canela (DE) (24)

Anschließend ging es weiter durch die Landschaft, welche ein wenig kurvenreicher wurde und stärker von Hortensien eingerahmt war.

Wir erreichten das Portal von Gramado. In diesem befindet sich eine Tourismusinformation. Gerade bei den jetzigen Wetterverhältnissen – wir hatten noch immer leichten Regen – wollte ich wissen, was wir denn vielleicht noch in Gramado und Canela oder der näheren Umgebung unternehmen können. Außer den Museen und den bereits bekannten Lokalitäten lernte ich aber nichts Neues.

– Portal von Gramado –
Gramado - Canela (DE) (25)

Wir fuhren weiter. Jetzt in Gramado stehen die Hortensien fast nahtlos am Straßenrand. Schade, dass die Hauptblütezeit bereits vorbei war. Dann, also so um die Weihnachtszeit, erstrahlt fast alles in hellem Blau und die Blüten stehen dicht an dicht. Nun hatten schon einige Blüten ihre Farbe und Kraft verloren. Bei dem Schmuddelwetter wirkte es ohnehin nicht so schön, wie in der Sonne.

– Hortensien beiderseits des Weges –
Gramado - Canela (DE) (12)

Wir hielten auf den „Lago Negro“ zu, den „Schwarzen See“, welcher auch „Schwanensee“ heißen könnte, wegen der vielen Schwäne als Tretboote. Dann müsste er aber „Lago Cisne“ heißen. Hat sich da wohl einer vertan mit „Schwan“ und „Schwarz“? 😉

Der Weg führte durch einen Araukarienwald in dem sich viele Leute eine Parzelle gekauft und ihre Wochenendhäuschen gebaut haben. Man sah gleich, das ist eine der „besseren Wohnlagen“, denn einige Grundstücke waren mit großen Hortensienbüschen vor ihren Zäunen und Hecken eingefasst. Wohlhabende Leute aus Porto Alegre haben hier ihre Wochenendhäuser.

– Fahrt durch den Araukarienwald –
Gramado - Canela (DE) (15)

Als wir den See erreichten war dort nichts los. Selbst die Souvenirverkäufer hatten ihre Stände abgeräumt und die Szene verlassen. Die „Schwäne“ waren angebunden und einige Techniker erledigen Wartungsarbeiten, die bei einigen „Schwänen“ darin bestanden das Wasser aus ihnen heraus zu schöpfen. Je nach Laune wirkt so eine Szenerie entweder „trostlos“ oder doch ein bisschen „verwunschen“. Immerhin hat man in solchen Zeiten den See fast für sich alleine. Ich fand die Atmosphäre am See als sehr interessant. Wäre ich alleine gewesen hätte ich mir mehr Zeit dafür genommen und wäre vielleicht fotografierend einmal um den See herum gelaufen.

– Ankunft am „Schwarzen See“ –
Gramado - Canela (DE) (13)

Aber ich war nicht alleine und so galt meine Aufmerksamkeit eher den Reaktionen der Mitreisenden. Dabei vergaß ich sogar meine Fotos am See zu machen. Wieder ein Grund noch mal zurück zu kommen – auch bei scheinbar schlechtem Wetter. 😉

Nachdem die Gruppe genug gesehen hatte ging es wieder zurück zum Van. Auf dem Weg dorthin fiel ein Gebäude auf, das so auch in deutschen hügeligen Urlaubsregionen stehen könnte. Ein Turm mit schwarz-rot-goldener Flagge. Von früheren Besuchen weiß ich, dass bei sonnigem Wetter auf der Terrasse auch Schirme der Brauerei Erdinger aufgestellt werden. Wären da nicht auch noch die Araukarien gewesen …

– „Deutscher“ Wachturm neben Araukarien –
Gramado - Canela (DE) (14)

Auf dem Weg in die Stadt passierten wir eine Lichtung, in der eine Bühne stand. Zur Weihnachtszeit wird der Bereich vollständig eingezäunt und überdacht. Dann finden dort verschiedene Weihnachtsshows und Theaterstücke statt. Jetzt wirkte die Szene aber eher trist und unaufgeräumt. Man sollte sich vielleicht überlegen wie viel man außerhalb der Saison stehen lässt. Es wirkte in dem Umfeld der Villen und Ferienhäuser ein wenig fehl am Platze.

Wegen des Wetters schlug ich vor zunächst durch Gramado zu fahren und uns die Stadt anzusehen. Sollten wir etwas finden, das wir uns näher ansehen wollten, dann könnten wir jederzeit anhalten. Nachfolgend einige Eindrücke – aufgenommen von der „Bordkamera“.

– Das nächte Fest ist Ostern –
Gramado - Canela (DE) (20)– Die Festbeleuchtung steht ganzjährig –
Gramado - Canela (DE) (16)– Die Mittelstreifen sind fast überall bepflanzt –
Gramado - Canela (DE) (17)– Die Feuerwehrzentrale von Gramado –
Gramado - Canela (DE) (18)– Gramados Hauptgeschäftsstraße –
Gramado - Canela (DE) (19)

Ich ließ im Zentrum halten. Alle sollten Gelegenheit bekommen sich die Füße zu vertreten und einen kleinen Bummel durch die Geschäfte der Stadt zu machen. Gerade im Zentrum gibt es einige Shoppingbereiche, die als Allwetterzonen überdacht sind.

Ich hatte während unserer Rundfahrt einen Gaucholaden entdeckt und wollte mit meiner Frau dahin. Es ist gerade das Rustikale der Gauchokultur, was ich so spannend finde und da meine Frau von einem Hof mit vielen Pferden kommt spricht sie das auch an.

Die Leute im Laden trugen Gauchotracht und freuten sich über unseren Besuch – wir waren wohl die einzigen, die sich bei dem Wetter bei ihnen verirrt hatten. Wir sahen uns um und wurden eingeladen einen Cachaça aus „besonders guter Produktion“ zu probieren.

Bei einer kleinen Probe blieb es aber nicht. Mein Eindruck war, dass sie täglich eine gewisse Menge davon als „Probe“ unter die Besucher zu bringen hatten, egal wie viele Leute den Laden betraten. Eine „Probe“ folgte der nächsten und sie erreichten letztlich auch ihr Ziel. Meine Frau sagte mir, dass ich doch schon seit Jahren auf der Suche nach einer ordentlichen Flagge von Rio Grande do Sul wäre. Genau – und hier hatten sie eine solche. Berechnet man die genossenen „Proben“ in den Kaufpreis mit ein, dann war sie ein echtes Schnäppchen! 😉

Der Nieselregen wurde heftiger, als wir uns wieder am Van trafen. Jetzt sollte es nach Canela gehen. Beide Orte sind durch eine Hauptstraße verbunden. An dieser befinden sich viele Hotels, Museen, Geschäfte und auch ein Fußweg, der es erlaubt eine Wanderung oder eine Radtour von einem Ort zum nächsten zu machen. So etwas ist selten in Südamerika. Das auffälligste „Museum“ auf dem Weg ist das kurz vor Canela liegende Dampfmuseum, das „Mundo a Vapor“ (Welt im Dampf). Aus seiner Front, die einem europäischen Bahnhof nachempfunden ist, scheint eine Dampflok gestürzt zu sein.

– Mundo a Vapor –
Gramado - Canela (DE) (26)

In Canela ist es die Steinkathedrale, die das Ortsbild prägt. Vor ihr wird immer zur Weihnachtszeit die Weihnachtsgeschichte erzählt. Dazu wird der gesamte Vorplatz umgebaut und große Kräne lassen Engel einschweben. Damit möglichst viele Leute am Spektakel teilhaben können, werden rund um den Platz Stühle und Bänke aufgestellt. Aber auch außerhalb der Saison ist die Kathedrale sehenswert.

– Steinkathedrale von Canela –
Gramado - Canela (DE) (27)– Straße von der Kathedrale in das Zentrum von Canela –
Gramado - Canela (DE) (21)– Alter Bahnhofsschuppen im Zentrum –
Gramado - Canela (DE) (22)– Nette Souvenir- und Einkaufszeile in Canela –
Gramado - Canela (DE) (23)

Gramado ist sicherlich der perfektere Ort und der mit dem größeren Angebot. Canela hingegen spricht mich mehr an, eben weil es kleiner ist und dadurch auch noch nicht ganz so kommerziell wirkt. Die Unterkünfte und Restaurants sind billiger. Dennoch ist alles vorhanden und auch Gramado ist in erreichbarer Nähe.

Da sich inzwischen auch schon die Mittagszeit ihrem Ende näherte nutzten wir die Lage, um in einer Churrascaria in Canela einzukehren.

– Rodizio vom Feinsten –Gramado - Canela (DE) (28)

Ein „Museum“ war uns auf der Fahrt nach Canela aufgefallen – ein „Schokoladenmuseum“. Von außen gestaltet wie ein Märchenland entpuppte es sich von innen als ein Schokoladengeschäft einer Schokoladenmarke. Aus dem Grunde habe ich das Wort „Museum“ meistens in Anführungszeichen gesetzt. Viele dieser „Museen“ sind im wesentlichen „Erlebnisshopping“ auf hohem Niveau. Die Konkurrenz ist hart und das Angebot üppig.

– Schokoladenmuseum von außen –
Gramado - Canela (DE) (5)– Verkaufsraum wie eine Märchenhöhle –
Gramado - Canela (DE) (2)– Überall Schokolade –
Gramado - Canela (DE) (3)– Show Production –
Gramado - Canela (DE) (4)– Alle Geschmacksrichtungen vorhanden –Gramado - Canela (DE) (1)

Ein Interesse weitere „Museen“ oder Orte zu besichtigen bestand nicht mehr, so dass wir wieder zu unserer Pousada zurück fuhren. Auch zu einem späteren Ausflug in ein Restaurant bestand kein Interesse, in der Pousada wurden Kleinigkeiten angeboten, die offensichtlich reichten.

Ich musste noch ein paar Arbeiten erledigen und hörte, dass man auf der Terrasse oben bereits beim Abendtrunk angekommen war. Nachdem ich meine Dinge abgearbeitet hatte gesellte ich mich dazu, bis der Kühlschrank nichts mehr hergab. Zum Feigenfest konnten wir uns zu dem Zeitpunkt dann nicht mehr aufraffen. 😉


Hier geht es weiter: Brasilien 2016 – Tag 11 – Alte Kameraden


Ich hoffe, dass die Geschichte bisher gefallen hat. Falls ja, warum nicht die eigenen Freunde darauf aufmerksam machen? Damit sie nicht suchen müssen, schicke ihnen diesen Link, der auch zurück zur Übersicht führt: Freundschaftsreise nach Brasilien 2016


Wirf einen Blick auf meine Sammlung von Videos bei Youtube. Dort kannst Du alle Videos, die ich bisher veröffentlicht habe, stets aktualisiert, anschauen, sie abonnieren und vielleicht mit einem Like versehen. Bist Du bereits hier im Blog registriert? Falls nein klicke links oder hier „Registrieren“.