Brasilien 2016 – Tag 16 – Die Kralle am Hals

Als wir am heutigen Morgen endlich das Hotel erreicht hatten, wurde bereits das Restaurant zum Frühstück eingedeckt. Aber nein, wir waren immer noch zu früh und sollten noch ca. eine Stunde warten. Nicht mal eine Tasse Kaffee wollte man uns geben. Dabei ist es selbst in kleinen brasilianischen Pousadas üblich, dass in der Rezeption immer eine Kanne mit frischem Kaffee steht. Hier nicht, weil hier war das Haus voll mit Touristen und warum sollte man denen einen Gefallen tun?

Uns war klar, dass wenn wir nun ins Bett gingen, dann würde es keiner von uns schaffen bis 10 Uhr wieder unten zu sein. Warten wollte auch keiner mehr, nach dieser Nacht. Also machten wir uns in die Federn.

Es war schon nach Mittag, als wir uns so langsam wieder aus den Matratzen quälten. Es gab keinen Grund zur Eile, denn das Frühstücksbuffet war bereits abgeräumt. Für heute hatte ich keine besonderen Programmpunkte eingeplant. Ich brauchte wieder Geld, das war der einzige Grund sich aufzumachen und vielleicht noch etwas von Rio zu erkunden.

Ansonsten galt es die Nachwirkungen der vorhergehenden Nacht aus zu kurieren. Keine Frage, Ungerns würden diesen Tag das Hotel nicht verlassen. Zu sehr durften wir bereits während der Nacht am Schmerz jeden Schrittes teilhaben. Deshalb war für die Beiden für heute Fußpflege angesagt.

Mich störte es nicht mehr. War den Beiden nicht schon früher das Hotel oft interessanter, als das Umfeld? Ich hatte längst aufgegeben sie für die Reize ihrer Reiseumgebung begeistern zu wollen. Das Hotel hatte eine interessante Dachterrasse mit Pool. Da wusste ich sie sicher aufgehoben! 😉

Heute war Samstag und die allgemeine Empfehlung für Rio de Janeiro lautet die Innenstadt während der Nacht und am Wochenende zu meiden. Erstens ist dann da nichts los und zweitens sollen die Typen, die sich zu den Zeiten dort aufhalten nicht unbedingt angenehm sein.

Nachdem es mir am Vortag nicht gelungen war am Flughafen Geld zu ziehen und ich den Rest meiner Scheinchen im Sambadrom gelassen hatte musste ich unbedingt eine Bank finden. Lust jetzt suchend durch die Innenstadt zu laufen und mich eventuell anschließend noch ausrauben zu lassen hatte ich keine. So dachte ich mir: „Vielleicht mal sehen was an der Copacabana los ist“. Außerdem glaubte ich zu wissen wo ich dort eine Bank finden könnte, statt jetzt hier in der Stadt danach suchen zu müssen.

– Unser Ziel für den heutigen Tag – Die Copacabana –
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Als wir zu viert das Hotel verließen war auf den Straßen in der Tat nichts los. Selbst Taxen waren nicht zu sehen. Vor dem Hotel warteten bereits viele Gäste verzweifelt auf die spärlich eintreffenden Taxis, so dass wir es zunächst an der Metrostation versuchen wollten.

Dort drängten sich die Leute. Es wurden aber nur Personen in den Eingang gelassen, die bereits eine Fahrkarte besaßen. Außerhalb gab es keinen Verkauf.

Wir gingen weiter zur nächsten Kreuzung. Aber auch da herrschte in Bezug auf Taxis gähnende Leere. Gelegentlich fuhr ein Bus vorbei und einige von ihnen hielten an einer Allee, wo sich mehrere Haltestellen befanden.

Wir gingen dorthin, hatten aber auch da kein Glück, denn es fuhren nur wenige Busse und niemand konnte oder wollte uns sagen wo wir denn einen Bus zur Copacabana finden könnten. Wir dackelten weiter, bis ich eine Straße in Richtung Lapa entdeckte, auf der mehrere Taxis unterwegs waren. Vermutlich war das die einzige nicht gesperrte Straße auf der man die Innenstadt passieren konnte.

Dort hielt ich einen Wagen an und wir konnten uns hinein zwängen. Der Taxifahrer bestätigte uns, dass wegen verschiedener Großveranstaltungen große Teile der Stadt gesperrt seien. Teilweise gäbe es Umzüge durch die Stadtteile und teilweise würden auf ausgewählten Plätzen Konzerte dargeboten, die dann großräumig abgesperrt würden.

Wir fuhren durch den Stadtteil Flamengo, wo sich viele Leute vor einer Bühne versammelt hatten. Es schien, als wäre es ein Konzert mit freien Eintritt, denn ich konnte keine Zugangssperren entdecken.

Wir jedoch waren auf dem Weg nach Copacabana und konnten trotz der Befürchtungen des Taxifahrers problemlos durch fahren. Einige Straßen waren noch nicht gesperrt und andere waren schon wieder frei. Aber wir fuhren auch an Seitenstraßen vorbei, die gesperrt und voller Leute waren.

Nach relativ kurzer Zeit erreichten wir so den Tunnel nach Leme und stiegen dahinter aus. Auf der linken Seite suchte ich nun meine Bank, aber die Lokalität war leer und die Reklame der Bank nirgends mehr zu finden. So ein M…! 🙁

Also suchten wir eine Alternative, aber auch die konnten wir hier nicht finden. Zudem fiel auf, dass viele Geschäfte mit Holzplatten verrammelt waren. Ein ähnliches Bild wie in der Innenstadt, woraus ich schloss, dass sich auch hier die Geschäfte vor Randalierern schützen wollten.

Jetzt jedenfalls war es weitestgehend ruhig und von Menschenansammlungen keine Spur. Allerdings könnte sich das auch innerhalb weniger Minuten ändern. Das hatte ich schon einmal erlebt, als spontan ein Umzug mit tanzenden Leuten auftauchte und alles blockierte.

Wir gingen zurück in eine jener Straßen welche parallel zum Strand durch den Stadtteil Copacabana führten. Denn, so hoffte ich, die Wahrscheinlichkeit eine Bank zu finden wäre dort am größten wo am meisten geschäftliches Leben wäre. Am Strand gibt es zwar Bars, Restaurants und viele flanierende Leute, aber Läden und Geschäfte finden sich da nicht.

Letztlich fand ich auch eine Bank in der Nähe des Praça Manuel Campos da Paz. Endlich! Nicht nur ich war inzwischen erschöpft. Auch meine Begleiter begannen erste Schwächen zu zeigen. Das war verständlich, immerhin hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts Vernünftiges gegessen.

Als eine kleine Diskussion aufzukeimen schien in welches Restaurant wir denn gehen könnten entschied ich gleich in eines am Platze zu gehen und keine weiteren Experimente zu wagen.

Das Essen war einfach, aber gut und günstig. Der Service war ordentlich und wir konnten unsere Kräfte sammeln. Deshalb blieben wir dort einige Zeit. Gleich als die ersten Getränke gebracht wurden bestellten wir die zweite Lage nach. Erst jetzt bemerkten wir, dass nicht nur Hunger unsere Körper geschlaucht hatte. Zwar hatten wir eine kleine Flasche Wasser dabei gehabt, aber die war schneller leer als wir vorher dachten.

Als wir alle wieder soweit waren etwas Neues zu entdecken, machten wir uns auf in Richtung Strand der Copacabana. In Deutschland verstehen wir zumeist unter dem Begriff „Copacabana“ eben jenen berühmten Strand. Tatsächlich steht der Name aber für den betreffenden Stadtteil, an dem sich dieser Strand befindet. Ordert man ein Taxi, dann muss man damit rechnen, dass man nicht an den Strand gefahren wird, sondern zunächst nur in diesen Stadtteil.

– Blick auf den Strand von Copacabana –
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Die breite Allee, welche die Bebauung vom Strand trennt nennt sich „Avenida Atlântica“ und es lohnt sich bei einem Taxifahrer diese Adresse anzugeben, wenn man an den Strand will. Die Allee ist dreispurig in jede Richtung wobei alle Fahrspuren morgens und abends in eine einzige Richtung geschaltet werden, um den Verkehr, der morgens aus den Stadtteilen Ipanema und Leblon in die Innenstadt von Rio drängt und abends wieder zurück will, zu beschleunigen.

Wer ein Hotelzimmer mit Meerblick an eben jener Allee gebucht hat sollte sich also nicht wundern, wenn er morgens statt von sanftem Meeresrauschen, von der Blechlawine geweckt wird.

– Morgenverkehr an der Avenida Atlântica (Foto von 2007) –
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Die „Avenida Atlântica“ besteht aber nicht nur aus diesen von Fahrzeugen befahrenen Fahrbahnen sondern auch einem weiteren Pfad, der „Radfahrern, Joggern und sonstigen schnelleren unmotorisierten Personen“ vorbehalten ist. Erst wenn man auch diese „Fahrstreifen“ überwunden hat gelangt man zu der, direkt am Strand befindlichen, Promenade. Sie ist einige Meter breit. Alle paar hundert Meter befindet sich an ihr ein Pavillon, der zum Essen, Trinken und Verweilen einlädt.

Das war der Weg, den auch wir nehmen wollten. Zwischendurch entdeckten wir einen Supermarkt, der in den Keller eines Wohnkomplexes gebaut war und den ich mit meiner Frau bereits im Jahr 2013 gefunden hatte. Wir gingen hinein, lediglich mit der Absicht ein paar weitere Getränke zu kaufen und dann unseren Weg fortzusetzen.

Meine Frau und ich, wir bemerkten, dass die Entwicklungen der letzten Jahre auch an diesem Supermarkt nicht vorbei gegangen waren. In Erinnerung hatten wir einen vollgestopften relativ unübersichtlichen Markt mit Regalen voller unbekannter Produkte und schmalen Gängen dazwischen. Aber schon damals bekamen wir dort alles was wir brauchten.

Nun entdeckten wir einen sehr aufgeräumt wirkenden Markt, in dem sowohl heimische, als auch ausländische Produkte zu finden waren. Alles sah sehr einladend aus und er war, wie damals gut besucht. Wir sahen uns um und kauften einige Getränke. Auch gut, dass brasilianische Supermärkte meistens über eine öffentliche Toilette verfügen. 😉

Als wir dann herausgehen wollten entdeckten wir eine kleine Imbisstheke. Eigentlich in der Absicht noch ein kleines Stück Gebäck mitzunehmen gingen wir dorthin. Nein – man würde nur zum lokalen Verzehr verkaufen und schon hatten wir die Speisekarte in der Hand. Also essen wollten wir jetzt nichts mehr, aber ein kleines Käffchen für hinterher (also nach dem Essen 😉 ) ginge vielleicht noch – schließlich war ja auch unser Frühstück ausgefallen.

Dabei fiel uns ein Kaffee-Latte (oder so etwas ähnliches) ins Auge, weil er seine drei (???) Komponenten schön separiert in einer Glastasse gekrönt von einer Milchschaumhaube präsentierte. Wir bestellten und öffneten damit ein weiteres Kapitel des berühmten Buches „… denn sie wissen nicht was sie tun!“

Freundlich lächelnd nahm die Kellnerin unsere Bestellung auf und versammelte sogleich die gesamte Belegschaft hinter sich. Wieder einmal konnte ich sehen, dass auch Menschen mit dunkler Hautfarbe „blass werden“ konnten. Den Gesichtern und zeitweiligem Schulterzucken war klar zu entnehmen, dass wir womöglich die ersten waren, die eine solche Bestellung bei ihnen aufgegeben hatten.

Emsiges Öffnen und Schließen verschiedenster Fächer und Schubladen schloss sich an. Ich fragte nach, ob es irgendwelche Probleme gäbe? Nein, nein alles bestens. Der Kaffee sei auf dem Weg. Aus der Nummer kamen wir jetzt nicht mehr heraus und mir schossen ähnliche Erlebnisse durch den Kopf wo ich am Ende überlagerte Mahlzeiten oder fürchterlich schmeckende Ergebnisse präsentiert bekam. Jetzt hieß es für mich tapfer sein und die Gruppe mit anderen Gesprächen ablenken und unterhalten.

Währenddessen rotierte hinter der Theke das Personal, gelegentlich unterbrochen von anderen Kunden. Eigentlich wollte ich schon längst auf der Promenade sein. Nachdem wir erst spät aus den Federn waren blieb uns vom Tag ohnehin nicht mehr viel Zeit. Aber es dauerte und dauerte. Echt gut, dass die Supermärkte eigene Toiletten haben! 😉

Dann nach einer gefühlten halben Stunde waren sie soweit und kamen mit ihren „Kreationen“ hinter dem Tresen hervor. Und was soll ich sagen, es gibt Burgerketten, da sehen die Produkte auf den Bildern deutlich besser aus, als das was dann letztlich auf dem Tablett serviert wird. Hier jedoch sah alles genau so aus wie auf dem Foto der Karte. Wirklich schön anzusehen und bis ins Detail gelungen. Die Mädels hatten sich angestrengt und reingekniet.

– Das haben sie doch gut hinbekommen –
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Nun kam die geschmackliche Frage. Unten der starke Kaffee, darüber Milch und Kakao, getoppt von aufgeschlagener Milch, die obendrein verziert war. Ich schob den Strohhalm hinein bis zum Boden und zog ihn beim Saugen langsam nach oben durch die verschiedenen Schichten. Ja, schmeckte alles. Dann nickte ich ‚rüber zum Tresen und noch während sich die Bedienung zufrieden abwandte nahm ich einen Löffel und rührte alles schön durch. Ach was bin ich doch für ein Ignorant! 😉

Hätten wir einen Cafezinho bestellt, dann wären wir nach einigen Minuten wieder aus dem Supermarkt gewesen und ich hätte nichts zu schreiben gehabt! 😉

Aber jetzt machten wir uns, inzwischen vollkommen gestärkt, wieder auf den Weg zur Strandpromenade. Spricht man in Deutschland oder am Mittelmeer von einer Strandpromenade, dann denkt man an einen wenige Meter breiten Gehweg mit Blick auf das Meer und vielleicht eine „verkehrsberuhigte Straße„ daneben.

Wie ich schon eingangs schrieb war jetzt hier alles einige Dimensionen größer. Drei Fahrspuren in die eine Richtung und drei Fahrspuren in die andere. Dazwischen ein Trennstreifen, breiter als drei Fahrspuren und sogar so breit, dass man eine Tankstelle integrieren konnte. Immerhin half diese Art der Verkehrstrennung im Zusammenspiel mit den Ampeln, dass sich Phasen ohne Autoverkehr bildeten, um diesen Verkehrsweg überhaupt überqueren zu können.

Wir kamen auf Höhe des „Copacabana Palace Hotels“ heraus und hatten damit die erste berühmte „Sehenswürdigkeit“ dieses Strandes vor uns. Man muss sich vorstellen, dass dieses Hotel bei seiner Eröffnung im Jahr 1923 von nur wenigen anderen Häusern umgeben war. Wie imposant muss das damals in seinem Art-Deco-Stil gewesen sein, wo es doch noch heute neben den vielen Neubauten, mit denen der Stadtteil Copacabana inzwischen zu gepflastert wurde, weiterhin problemlos bestehen kann? Berühmt wurde das Hotel insbesondere durch die vielen Reichen und Schönen der Welt, welche in ihm beherbergt wurden.

– Das Copacabana Palace Hotel –
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Wir begnügten uns mit dem Blick von außen. Unsere Garderobe war für eine andere Umgebung ausgelegt und allzu viel Zeit blieb auch nicht mehr. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde wollten wir unsere Stimmung nicht durch einen „freundlichen Platzverweis“ eintrüben lassen. Man wird sicherlich den Eingangsbereich und einige „untere Flure“ besuchen und besichtigen können. Aber da gibt es so viel Interessantes nicht zu sehen und da wo es spannend würde, da kommt man nur als Hotelgast hin.

Also gingen wir hinüber zum Strand, um von dort die Promenade entlang zu spazieren. Es war viel los. Immerhin war Karneval, die Stadt ausgebucht und zum Nachmittag waren Leute wie wir wieder auf den Beinen.

– Schöne Kleinkunst am Strand –
rio-copa-2– Hund am Strand? Wem fällt das schon auf? 😉 –
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Während wir so die Promenade entlang schlenderten und ich einige Fotos von Strand und Sandburgen machte bemerkte ich, dass wir von einer Gruppe von Jugendlichen beobachtet wurden. Es waren so vier bis fünf Jungs im Alter von etwa 16 bis 18 Jahren. Mir fiel auf, dass sie mit uns Schritt hielten und uns einige Meter in gleich bleibendem Abstand verfolgten.

Ich nahm langsam den Chip aus meiner, auf einem Selfiestick montierten Kamera, wickelte Kamera und Stick zusammen in eine Tüte, so dass ich sie wie einen Hammer, mit der harten Batterie voraus, in der Hand halten konnte. Dann informierte ich meine Gruppe, dass ich vermutete man werde wohl in Kürze versuchen mir die Kamera zu rauben. Alle sollten aufpassen.

So gingen wir weiter, stets verfolgt von den Jugendlichen, die sich in einem Abstand von rund fünf Metern von uns hielt. Es waren viele Leute um uns herum, aber weder Sicherheitsleute noch Polizei zu entdecken. Wie anders war doch das Bild in der Nacht, wo man vor lauter Polizei kaum noch ein Durchkommen hatte.

Während ich meinen „Hammer“ fest mit beiden Händen umklammerte und nach irgend einem Polizisten oder Sicherheitsleuten Ausschau hielt schrie auf einmal unsere Begleiterin auf. Aus einer Richtung, die ich nicht im Auge hatte war einer dieser Jugendlichen, der sich vorher von der Truppe abgesetzt haben musste, auf sie los gestürmt und versuchte ihr, mit einem Griff, etwas vom Hals zu reißen. Sie hatte eine lange Schramme am Hals, aber es blutete nicht. Erst da erkannte ich die dünne Kette, die sie trug.

Hatte ich nicht alle gewarnt heute und in Rio überhaupt, keinen Schmuck zu tragen, nicht einmal billigen? Diese Kette war so dünn, dass sie mir nicht aufgefallen war – den Burschen jedoch schon! Tatsächlich bestätigte mir unsere Begleiterin, dass es ein „echtes“ Goldkettchen sei und kein „Katzengold“. Die Burschen hatten offensichtlich einen besseren Blick dafür als ich.

Die Situation war noch längst nicht vorbei. Die Gruppe formierte sich neu und erweckte den Anschein, dass sie noch nicht bereit war aufzugeben. Entweder war da noch irgendwo verdeckt ein weiterer, der auf seine Gelegenheit wartete oder meine Kamera war noch immer in ihrem Fokus. Unsere Begleiterin nahm jedenfalls die Kette ab und legte sie während der restlichen Zeit in Rio auch nicht mehr an.

Ich fuchtelte ein wenig herum und warnte weitere Passanten. Das tat ich natürlich auch, um meine Gruppe größer und damit das Risiko für eine nächste Attacke kleiner zu machen. Schließlich gaben die Jugendlichen klein bei und zogen sich weitere zehn Meter zurück. In meinen Augen reichte das jedoch noch nicht und ich fragte in die inzwischen größer gewordene Gruppe, ob jemand irgendwo Polizei gesehen habe.

Vollkommen irre – weit und breit keine einzige Sicherheitskraft. Und das während Karneval und vor den Olympischen Sommerspielen. Wenn nichts los ist – so habe ich schon oft beobachtet – wird jeder der verdächtig erscheint alle hundert Meter kontrolliert. Aber davon war jetzt nichts zu sehen und auch später nicht!

Als sich die Jugendlichen so weit zurück gezogen hatten, dass ich es für sicher genug befand beschloss ich nicht weiter, sondern nur bis zum nächsten Pavillon zu gehen. Dort sollten wir ein wenig Ruhe finden, verschnaufen und eine Caipi auf den Schock trinken. So entschied ich nicht nur deshalb, sondern auch weil sich unsere „Gruppe“ automatisch wieder verkleinert hätte wenn wir jetzt weiter gezogen wären und so Angriffsfläche für einen nächsten Angriff geboten hätten.

Die Jugendlichen sollten von uns ablassen und weitere Angriffe auf uns aufgeben. Sie würden wegen dem Kettchen und meiner Kamera sicherlich keine Stunde auf uns warten wollen. Außerdem denke ich, dass diese Pavillons „besondere Schutzzonen“ sind, die nicht nur unter dem „Schutz“ der Behörden und Polizei stehen werden! Die Insider werden verstehen, was ich damit meine. 😉

So saßen wir nun und diskutierten die Situation. Unsere betroffene Begleiterin wirkte gelassen und steckte die Sache offensichtlich gut weg. Wir bestellten einige Kleinigkeiten und bald wechselten wir auch das Thema. So direkt am Strand zu sitzen in dieser pulsierenden Großstadt, mit den Füßen im Sand, das hatte schon etwas.

– Welch ein Ausblick?! 😉 –
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Wir wären vermutlich den ganzen Abend dort geblieben, wenn sich die Bar nicht ihrerseits auf das Abendprogramm vorbereitet hätte. Wenige Meter neben uns baute eine Band ihre Instrumente auf. Schon alleine die Boxen, die aus dem Lager geholt wurden erweckten die Befürchtung, dass die Nachbarpavillons gleich mit beschallt werden sollten.

So angenehm wie wir da bisher saßen hätte es uns nichts ausgemacht, dass der Kellner nicht einer der schnellsten war. Aber im Angesicht eines aufziehenden Konzerts in Überschalllautstärke, wollten wir nicht lange bleiben und machten ihm Beine, was ihn nur weiter verlangsamte. Als er endlich lieferte bestellte ich gleich die Rechnung, mit der er dann wiederum schnell dabei war. Einige Sachen standen da allerdings anders drauf, als von uns bestellt und von ihm geliefert.

Der Unterschiedsbetrag war nicht groß. Ich habe auch kein Problem mit Trinkgeldern, obwohl es in meinen Augen kein Trinkgeld mehr ist oder auch keine Anerkennung für besonders guten Service, wenn mir die Entscheidung abgenommen wird und der „Serviceaufschlag“ schon gleich auf der Rechnung drauf steht. Da kann man diese Kosten gleich mit auf die Preise aufschlagen und schreiben, dass der Service bereits inklusive sei. Das wäre dann zumindest ehrlich!

Inzwischen hatte ich mich schon an diese Praxis gewöhnt, mich dann aber noch darüber hinaus über den Tisch ziehen zu wollten bringt mich nicht nur als Deutschen auf die Palme. Es gibt so Dinge, die ich einfach nicht mag. Andererseits haben Brasilianer auch so ein paar Sachen, die sie nicht mögen, z.B. die Frage nach einer „Nota Fiscal“, einer vom brasilianischen Finanzamt leicht kontrollierbaren Abrechnung! Ach was kann ich doch gemein sein! 😉

Die Band spielte auf, wir aßen und tranken aus, miteinander reden war eh nicht mehr drin. Dann machten uns auf den Weg. Dieses Mal ließ ich meine Kamera überwiegend in meiner Tüte – wohl wissend, dass auch jene, die dahinter her sein könnten ebenfalls erahnen konnten was in der Tüte war. Aber von außen betrachtet hätte es auch ein „Hammer“ sein können. Touristen sind nun mal verrückt und warum sollte da nicht einer seinen „Hammer“ spazieren führen? 😉

Wir kamen an einen Pavillon, der gerade renoviert und umgebaut wurde, vermutlich damit er zu den Olympischen Spielen bereit sein sollte. Überhaupt stellte ich auch in den kommenden Tagen fest, dass einige der Pavillons im Um- oder Aufbau waren. Hier dachte ich, dass ich einmal meine Kamera herausholen könnte, um ein paar Aufnahmen vom Strand zu machen. Es waren nicht viele Leute in der Nähe.

– Strandleben –
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Leider blieb ich auch hier nicht ungestört, denn aus irgendeinem Loch stürmte eine offensichtlich angetrunkene, ältere Frau auf mich los und beschimpfte mich, ich würde sie fotografieren und dafür wolle sie Geld haben.

Wieder verschwand meine Kamera im Beutel und ich winkte den anderen zu, dass wir weiter gehen müssten. Ich wollte nicht so lange abwarten bis der Rest ihres Lagers die Chance erahnen und sich um mich versammeln würde.

– Irgendwo unter dem Schirm muss sie gehockt haben – Die Alte 😉 –
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Wir waren inzwischen auf der Höhe des Kunstmarktes, welcher sich zwischen den Fahrspuren befindet. Hierher würde uns die versoffene Bande nicht verfolgen, so hoffte ich. Dafür würden schon die Leute an den Ständen sorgen. Und tatsächlich wurden wir nicht weiter verfolgt.

Mittlerweile wurde es auch schon dunkel. Ich holte auch hier auf dem Markt wieder die Kamera heraus, um einige weitere Aufnahmen zu machen. Es war das erste Mal, dass ich unbehelligt blieb. Dennoch bemerkte ich, dass meine Gruppe immer nervöser wurde wenn ich meinen Apparat aus der Tüte holte. Irgendwie machte es mir heute wirklich keinen Spaß an der Copa.

Wir kauften ein paar Souvenirs und machten uns auf den Weg zur nächsten Metro-Station. Die fanden wir mit der Station „Cantagalo“. Nicht dass der Weg dahin an dem Abend für uns ein Problem gewesen wäre, denn es war noch relativ früh und noch waren viele Leute unterwegs. Aber warum baut man eine solche Station an einen Ort wo man vom Strand durch den ganzen Stadtteil ans andere Ende gehen muss?

Dort angekommen kauften wir gleich Karten für die nächsten Tage. Schließlich hatten wir an der Station in der Nähe unseres Hotels gesehen, dass nur Fahrgäste in die Metro-Station gehen durften, die bereits eine Fahrkarte hatten. Wir wollten am nächsten Tag nicht wieder herumirren, um ein Taxi oder eine sonstige Fahrgelegenheit zu finden.

Die Rückfahrt selbst war problemlos, die Leute in der Bahn gut drauf und schnell hatten wir unser Hotel erreicht. Noch rausgehen wollte keiner mehr, so dass wir uns an der Bar noch ein paar Bier bestellten. Leider machte die schon früh zu, so dass wir nun deutlich mehr Zeit zum schlafen hatten, als in der Nacht zuvor.


Hier geht es weiter: Brasilien 2016 – Tag 17 – Alles Zucker


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