Nachdem der gestrige Tag dann doch etwas früher endete als von mir vorgesehen waren wir heute recht zeitig wieder auf den Beinen. Wir wollten schließlich auch einmal sehen wie das Frühstücksbuffet denn so aussieht, wenn noch keine Horde Wilder darüber hinweg gezogen war. Und ja, jetzt sah es noch ganz manierlich und einladend aus. Es waren noch nicht viele Leute im Restaurant als wir hinein gingen.
Welch ein Wunder; es war Karneval in Rio und wer verkriecht sich da schon so früh ins Bett wie wir das machten? Wir hatten fast drei Wochen Rundreise hinter uns und waren mit unseren Kräften nicht mehr ganz da wo sich die anderen Hotelgäste bewegten. Besonders ich war von den Nervereien der Ungerns ziemlich ausgelaugt und trug es schon mit ein wenig freudiger Erwartung, dass dies heute der letzte Tag der Reise werden würde an dem ich mich um diese lebensunfähigen Gestalten kümmern musste. Keine Frage, mit den Beiden war erst recht nichts mehr los.
Andererseits war es auch der letzte gemeinsame Tag zusammen mit meiner Frau, was die Freude doch auch eintrübte. Deshalb hatte ich am gestrigen Abend noch einmal darauf hingewiesen, dass diese Reise auch der Jahresurlaub von meiner Frau und mir sei. Aus dem Grunde sollten sie sich darauf einstellen, dass wir uns im Laufe des Tages ausklinken würden, um wenigstens für uns selbst noch ein wenig Zeit zu haben.
Aber wieder einmal brachten die Ungerns ihre Vorstellungen von dem was sie glaubten zu können und dem was sie tatsächlich konnten nicht in Deckung. „Ja ja, alles kein Problem, wir können heute mitkommen und finden uns auch alleine zurecht“. Wie oft hatte ich das inzwischen schon gehört und trotzdem musste ich mir anschließend wieder dieses Gejammer anhören? Aber ich wollte stark sein und dieser Tag sollte meiner Frau und mir gehören! Insgeheim hatte ich gehofft, dass die Beiden ihren elenden Zustand selbst einsehen und noch einmal im Hotel bleiben würden.
Wir frühstückten und waren bereits fertig bevor das Restaurant sich mit den anderen Gästen füllte. Während der Rest unserer Gruppe noch einmal auf die Zimmer ging fuhr ich hinauf auf die Dachterrasse des Hotels. Oben befand sich ein Pool, eine kleine Bar, ein kleiner Fitnessraum und ein Raum, der womöglich für kleinere Feiern genutzt werden kann. Man konnte fast in alle Richtungen blicken, wobei der Ausblick in Richtung des Zuckerhuts am besten war.
Ich wollte mir Gewissheit über die Wetterverhältnisse verschaffen, denn heute sollte es hinauf zur Christusstatue gehen. Die ca. 30 Meter hohe Statue von Christus, dem Erlöser (Cristo Redentor) wurde 1931 errichtet und ist seit 2006, also dem 75. Jahrestag seiner Errichtung, auch als katholischer Wallfahrtsort geweiht. Im ca. 8 Meter hohen Sockel befindet sich eine Kapelle, die Platz für immerhin etwa 150 Personen bietet.
– Das Tagesziel leuchtet bereits über dem Berg –
50 Jahre lang, von 1931 bis 1981, war sie die höchste Christusstatue der Welt. Inzwischen wurden der Welt weitere Statuen geschenkt, so dass sie aktuell, also jetzt in 2016, die sechsthöchste Christusstatue ist. Ich frage mich allerdings welche einen besseren Ausblick hat als diese.
Man sagt, dass jeder Carioca, so nennen sich die Bewohner von Rio, morgens einmal auf die Christusstatue hinauf blickt und dann einen Augenblick wartet. Dann wenn sie ihre Hände zusammen schlägt beginnt man mit der Arbeit! 😉
In jedem Falle ist die Christusstatue in mehrfacher Hinsicht ein „Must Go“ für jeden Aufenthalt in Rio und wurde somit selbstverständlicher Teil meines Programms. Mit diesem Punkt wäre dann meine Reise abgeschlossen, denn für den folgenden Tag stand nur noch der Rückflug nach Deutschland an.
Während ich so um mich schaute und mit dem Wetter sehr zufrieden war, denn die Christusstatue war frei von Wolken, erblickte ich auf einem großen Platz zwischen unserem Hotel und dem Zuckerhut eine große Menschenmenge, die sich offensichtlich zu einem Konzert eingefunden hatte. Von einer Bühne spielte die Band bekannte Lieder, z.B. von den Beatles.
– Ein toller Platz für ein Konzert –
Wie toll war das denn? Ein rockiges Konzert mit dem Zuckerhut als Hintergrund und womöglich auch noch bei freiem Eintritt? Wäre ich jetzt alleine hier gewesen, dann hätte es mich nicht lange auf dem Dach gehalten und ich wäre direkt zu der Veranstaltung gegangen. Aber mir steckten noch die gestrigen Erfahrungen am Strand von Ipanema in den Knochen und mit den Ungerns wäre es überhaupt nicht möglich gewesen dorthin zu gehen. Schade! Dann muss ich das wohl auf einen kommenden Besuch verschieben.
Interessiert beobachtete ich eine kleine Weile die Menschenmenge und lauschte der Musik, die klar und deutlich zu mir herüber klang. Dabei bemerkte ich einige Flugzeuge, die wie ich vor einiger Zeit, neben dem Zuckerhut zur Landung auf den Stadtflughafen Santos Dumont zu hielten. Ich beobachtete weiter und sah, dass sie auch dicht an der Christusstatue vorbei flogen bevor sie in den finalen Landeanflug über gingen. Von meiner Position aus sah es so aus, als würden die Flugzeuge die Christusstatue im Abstand von nur wenigen hundert Metern passieren, was natürlich nicht der Fall sein konnte.
– Landung auf dem Corcovado? –
Ich machte Aufnahmen und ging dann auf die andere Seite der Dachterrasse. Von dort konnte ich einen kleinen Bereich des Viadukts von Lapa erkennen, Teile der Kathedrale und auch eine Straßenbahn, die an der Endstation der Linie Santa Teresa ihre Kreise drehte. So richtig konnte ich in diesen Bereich nicht hinein blicken, fragte mich aber ob die Straßenbahn wieder nach Santa Teresa fahren würde. Es hieß doch, dass der Betrieb eingestellt worden sei.
– Endstation der Straßenbahn (Bondinho) nach Santa Teresa –
Nun gut, ich musste wieder runter. Hingen die Ungerns während unserer Ausflüge laut stöhnend wie Blei an unseren Knöcheln, so wurden sie auch unverschämt laut, wenn es morgens nicht pünktlich los ging und sie warten mussten. Es war der letzte Tag, wir hatten nur einen Programmpunkt und warum sollte ich mir auch noch diesen Tag vermiesen lassen?
Trotzdem wäre es besser gewesen wenn ich sie an die Rezeption geschliffen und beim Concierge für sie eine Stadtrundfahrt gebucht hätte. Warum sollten sie ausgerechnet heute besser drauf sein?
Stattdessen gab ich wieder meinem inneren Antrieb nach zumindest den beiden anderen noch etwas zeigen zu wollen. Vom Hoteldach aus hatte ich die Straßenbahn der Linie Santa Teresa beobachtet, wie sie ihre Kreise zog. Nach meinem Wissensstand war die Linie außer Betrieb. Vielleicht konnte man aber wenigstens zur Endstation gehen, einen Blick darauf werfen oder sogar eine (Foto-)Runde mit fahren.
Unser Hotel war keine 300 Meter vom Viadukt in Lapa entfernt und nicht viel weiter von der Kathedrale und der Endstation der Straßenbahn nach Santa Teresa. Was sprach also dagegen sich das einmal anzusehen. Ohhh ja, es sprach sehr viel dagegen und ich frage mich noch heute warum ich damals so taub war.
Wir trafen uns in der Lobby, die inzwischen von verkaterten Hotelgästen gut gefüllt war. Einige standen in der Warteschlange zum Restaurant und andere umlagerten den Counter, um auszuchecken. Draußen auf der Straße war es ruhig. Einige Taxen hatten sich vor dem Hotel aufgebaut und warteten auf abreisende Gäste. Ansonsten schien der Bereich um das Hotel weitestgehend verwaist.
Mein erstes Ziel war der Viadukt von Lapa. Von dort aus wollte ich zur Kathedrale und der Endstation der Straßenbahn nach Santa Teresa.
Also zogen wir los. Nach knapp hundert Metern kamen wir zu einer Kreuzung an der ich schon an den Vortagen eine Bank entdeckt hatte, bei der meine Kreditkarte funktionieren sollte. Bisher hatte ich gescheut in der Innenstadt in eine Bank zu gehen, da man ja nie weiß wie weit man anschließend mit dem Geld kommen würde. Heute war aber so wenig los und ich dachte mir, dass auch die „bösen Jungs“ vermutlich jetzt ihren Kater auskurieren würden. Also ging ich hinein und … tatsächlich bekam ich Geld. Das fing ja schon mal gut an.
Wir gingen weiter auf den Viadukt zu, der sich noch ca. 200 Meter vor uns befand. Aber es ging schon wieder los. Wir sollten doch nicht so rasen! OMG – jetzt schon, wo wir noch fast gar keine Strecke gemacht hatten. Meine Frage, ob sie zurück ins Hotel wollten, verneinten sie – ganz zu meinem Bedauern. Andererseits wollte ich ja auch etwas von Rio zeigen, dass nicht jeder Besucher zu sehen bekommt, insbesondere nicht in einer organisierten Reisegruppe. Also schlichen wir weiter zum Platz vor dem Viadukt.
Von da aus wollte ich eigentlich in Richtung Kathedrale und Straßenbahn abbiegen, aber die Ungerns sahen darin keinen Sinn. Womöglich müsse man auch noch Eintritt zahlen – also nein. So wand ich mich wieder dem Viadukt zu. Auch auf dem Platz vor dem Viadukt war eine Bühne installiert auf der offensichtlich während des Karnevals ebenfalls eingeheizt wurde. Mein Eindruck verstärkte sich, dass insbesondere in den verschiedenen Stadtteilen der Karneval offensichtlich sehr intensiv gefeiert wurde und das Programm klasse sein muss. Ja, ich würde noch einmal zum Karneval nach Rio fahren, aber dann ohne „Ballast“.
– Vor dem Viadukt –
– Viadukt der Straßenbahn bei Lapa –
Wir gingen unter den Bögen des Viadukts durch und blickten auf die Bars und Restaurants von Lapa. Dort wo man während des Jahres schön auf Terrassen vor den jeweiligen Lokalen sitzen, essen, trinken und Leute beobachten konnte war der Bereich nun mit hohen Gittermatten eingezäunt. Da muss nachts aber eine Menge los sein dachte ich noch so bei mir. Noch immer wurden die Zeichen der letzten Nacht aufgeräumt, aber es sah schon wieder einigermaßen manierlich aus.
Auf die anderen schien die ganze Szene eher einschüchternd zu wirken, denn sie hatten keine Lust sich Lapa noch intensiver anzusehen. Nun ja, der Tag ist nicht die Stärke dieses Viertels, sondern die Nacht.
Wir gingen hinüber zu der Straße welche durch Lapa und unter dem Viadukt hindurch führt. Es waren viele Taxen unterwegs, so dass wir schnell zwei passende Wagen für uns fanden. Unser Ziel war im Stadtteil „Cosme Velho“ die Bodenstation der Zahnradbahn hinauf zur Christusstatue.
Der Berg auf welchem die Christusstatue errichtet wurde heißt „Corcovado“, was übersetzt in etwa „Der Bucklige“ bedeutet und der Form des Felsens geschuldet sein mag. Eine Fahrt hinauf lohnt sich, insbesondere dann wenn es die Wetterverhältnisse zulassen, weil sich gleich mehrere Attraktionen vereinen lassen.
Sicherlich ist die Statue von Christus, dem Erlöser (Cristo Redentor) das Highlight eines jeden Besuchs in Rio de Janeiro. Auch ein Selfie mit der Statue im Hintergrund gehört inzwischen ebenfalls dazu. Gleichzeitig hat man einen grandiosen Blick über die „Wunderbare Stadt“. Blickt man von dort oben auf die Stadt, dann versteht man sofort warum sie so genannt wird.
Die Lage am Atlantik mit herrlichen Stränden, der großen Guanabara-Bucht, den Felsen, welche die Stadt in verschiedene Stadtteile aufgliedern, dem großen Tijuca-Nationalpark und vieles mehr werden von hier oben sichtbar. Selbst wenn die Stadt aus weniger Distanz anders wirkt; von oben kann man sich daran nicht satt sehen.
Und als ob das alles noch nicht reichen würde hat man bereits 1882 bis 1884 eine Zahnradbahn gebaut, welche auf die Spitze des „Buckligen“ hinaufführt. Diese nicht einmal vier Kilometer lange Strecke schlängelt sich mitten hindurch durch den Tijuca-Nationalpark, der hier auch einen Teil des Mata Atlântico, also des atlantischen Regenwaldes bildet und somit einen tollen Kontrast zu den pulsierenden Straßen und Vierteln der Stadt bietet.
– Die Zahnradbahn zum Corcovado –
Die Fahrt mit den zwei Taxen war wieder interessant, weil sie durch einige Stadtteile Rios führte, die ich bisher noch nicht kannte. Eigentlich müsste ich immer statt Stadtteil jeweils Favela sagen, aber der Begriff „Favela“ steht doch bei den meisten Leuten für die Viertel armer Leute in denen ein hoher Grad an Kriminalität herrscht. Diese Teile von Rio machten aber keineswegs einen solchen Eindruck, sondern wirkten außerordentlich „normal“. Dennoch will ich nicht ausschließen, dass auch hier in der Nacht die Katzen nicht nur grau sind.
Auf direktem Weg erreichten wir den Bahnhof. Diesen erkennt aber nur sofort, wer schon einmal dort war. Er steht weder dominierend an einer Straße und auch der Platz, dessen eine Seite er einnimmt verdeckt ihn eher, als dass er auf ihn hinweist. Der Zugang erfolgt nicht durch ein großes Portal, sondern durch ein Tor, welches sich zur viel befahrenen Straße hin öffnet und mehr an eine normale Grundstückseinfahrt erinnert, als an den Zugang zu einer weltberühmten Attraktion.
– Vor der Kirche „Paróquia São Judas Tadeu“ –
Am besten wäre es für Neulinge sich an der Kirche „Paróquia São Judas Tadeu“, einem runden Kuppelbau, zu halten oder einen Taxifahrer gar direkt dahin zu beordern. Diese Kirche liegt genau gegenüber dem Eingang zur Bodenstation und ist eine bessere Zielmarke als der Bahnhof selbst. So kann man auch Missverständnisse vermeiden und läuft nicht Gefahr vom Taxifahrer gleich direkt auf den Corcovado hinauf gefahren zu werden, nur weil er „nicht verstanden“ hat.
Wir stiegen aus und versammelten uns auf jenem Platz, welcher sich gegenüber der Kirche und neben der Bahnstation befindet. Vermutlich machte dieser Platz einst den ursprünglichen Ortskern von „Cosme Velho“ aus. Heute ist er nicht besonders schön und auch ein wenig unruhig wegen des vielen durchfahrenden Verkehrs. Da nutzen selbst die hohen Bäume wenig, die zudem auch den Blick auf einen alten Waggon der ersten elektrifizierten Zahnradbahn ein wenig verdecken, welcher doch eigentlich prominent auf die nahe Attraktion hinweisen sollte.
– Der „Bahnhofvorplatz“ –
– Die erste elektrische Bahn –
Es befinden sich jedoch Kioske und ein kleiner Supermarkt im Umfeld des Platzes. Ich empfahl dort irgendwo eine Flasche Wasser zu kaufen, denn es wurde wärmer und ab der Bahnstation würden die Preise für Touristen gelten.
Dermaßen ausgestattet und versorgt betraten wir dann den Bahnhof. Dort standen bereits viele Leute vor den Kassen und ich traute meinen Augen nicht, als ich die Anzeige las, auf der nicht nur die Abfahrtszeiten für die nächsten Züge angezeigt wurden, sondern auch die Abfahrtszeiten für jene Züge, für die noch Tickets vorhanden waren, bzw. welche gerade verkauft wurden.
– Anzeigen zur Kundeninformation –
Ich ging zu den Automaten am Ankunftsgleis im Aussteigebereich des Bahnhofs, an denen man, vorbei an den Schlangen, ebenfalls Tickets kaufen kann, nur eben schneller. Aber auch dort wurde nichts anderes angeboten. Wir waren noch immer am Vormittag und die nächsten Züge für die noch Tickets verfügbar waren sollten erst um 17:15 Uhr fahren! Ich war ein wenig ratlos. Alternativprogramm oder mit dem Taxi hoch fahren lassen – das waren die Optionen, die sich mir nun stellten. Ich informierte die Gruppe.
– Aussteigebereich des Bahnhofs –
– Auch Aussteigebereich –
Nun, ich selbst war schon mehrmals auf dem Corcovado und meine Frau war auch schon da oben gewesen. Unseretwegen hätte dieser Punkt ausfallen können. Aber was mache ich dann mit der Truppe, insbesondere mit meinen beiden Problemchen? Ich hatte wenig Lust die Beiden jetzt noch irgendwo anders mit mir herum zu schleppen, auf sie aufpassen zu müssen und dabei mit ständigem Genöle zu getextet zu werden. Davon hatte ich bereits genug. Da oben wäre doch so vieles einfacher.
Also ging ich zu einer der geschlossenen Kassen, hinter denen sich einige Mitarbeiter relaxt unterhielten. Ich fragte nach, ob es denn wirklich so wäre, dass bereits alle Tickets vor 17 Uhr verkauft seien. Der Mitarbeiter hinter dem Schalter fragte woher wir denn kämen und ich antwortete aus Deutschland und dass wir alle morgen wieder zurück müssten. Gegenfrage: „Wie viele seid ihr denn“? „Sechs“ antwortete ich spontan. Dann drehte er sich um, warf einen Blick zu seinen Kollegen und schaute anschließend in den Monitor seines Buchungscomputers.
„Seid ihr alle schon hier?“ fragte er mich. „Ja“. „Nun bei der nächsten Fahrt wären noch sechs Plätze frei von Leuten, die nicht erschienen sind. Wollt ihr die?“ Ich fragte kurz in die Runde und nickte.
Das ging jetzt so schnell, dass ich meine ursprüngliche Absicht vollkommen vergessen hatte. Eigentlich wollte ich die Gruppe in den Zug setzen und dann mit meiner Frau an anderer Stelle in Rio den Tag verbringen. Da oben wusste ich sie relativ sicher aufgehoben, schließlich sind ausländische Touristen dort Tagesgeschäft. Die Rückfahrt zum Hotel mit einem Taxi selbst zu organisieren hatten sie inzwischen auch gelernt.
Nun hatte ich aber Tickets für meine Frau und mich in der Hand. Damit war ich wieder dabei und der „Tag mit meiner Frau alleine“ war im Eimer. Was sollte ich machen? Hatte ich mir die Sache doch selbst eingebrockt! So beschloss ich das Beste aus der Situation zu machen und weitere Fotos und Filmaufnahmen meinem Bestand zuzufügen. Die Chips waren leer und die Akkus voll.
Wir hatten jetzt nicht mehr viel Zeit bis zur Abfahrt des nächsten Zugs. Ich holte ein Eis und führte die Gruppe durch die wenigen schattigen Plätze hinein in die Werkstatt, welche inzwischen zu einem Teil eines Zahnradbahn-Museum umfunktioniert war. Ein ausgedienter Waggon, oder eine entsprechende Nachbildung – so genau konnte man das nicht unterscheiden – war zu einem Abteilwagen mit Tischen und Bänken umfunktioniert, um so wartenden Gästen eine Möglichkeit zu geben Mitgebrachtes oder vor Ort Erstandenes sitzend zu verspeisen. Daneben gab es den üblichen Sensationsrummel, z.B. die obligatorische Fotowand mit der Christusstatue für alle, die nicht glauben können, dass man oben noch bessere Bilder machen könne.
– Nr. 1 steht in der Werkstatt – Nrn. 2 bis 4 sind unterwegs –
– Das touristische Angebot für die Wartenden –
Unser Zug fuhr ein und zunächst durch bis ganz hinunter zu jenem Ende des Bahnsteigs welcher ausschließlich zum Aussteigen vorgesehen war. Anschließend fuhr die Bahn wieder ein kleines Stück zurück nach oben, um dann am „Einsteige-Bahnsteig“ zu halten.
– Der Zug fährt vom Berg herab in den Bahnhof ein –
– Ankunft in der Bodenstation –
Der Zug bestand aus zwei roten Wagen, vergleichbar mit den Schienenbussen, welche in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in Deutschland sehr beliebt waren und auf vielen Nebenstrecken eingesetzt wurden.
Ein interessantes Detail für die Freunde der Eisenbahn dürfte es sein, dass sich der Fahrstand, also der Arbeitsplatz des Lokführers, auf der bergfahrenden Seite rechts befand und auf der talfahrenden Seite links. Das liegt daran, dass sich alle Bahnsteige auf der Strecke auf einer Seite des Schienenstrangs befinden. Ein Vorteil für die mitfahrenden Touristen, denn so gibt es in jede Richtungen einen Platz in der „ersten Reihe“ für sie. 😉
Nachdem alle Passagiere aus dem eingetroffenen Zug ausgestiegen waren wurde der Zug ein wenig auf den Einsteigbahnsteig hoch gezogen. Dann konnten die neuen Fahrgäste zusteigen. Dazu wurden ihre Tickets an einem Drehkreuz gescannt, woraufhin man das Drehkreuz passieren konnte. Auch wir stiegen zu.
– rechts die Zugangskontrolle, links die Einfahrt in die Werkstatt –
Ich bevorzugte den hinteren Wagen, weil sich zunächst die meisten Fahrgäste in den ersten Wagen zwängten. So hatte ich mehr Auswahl, was die Sitzplätze anging. Auf der einen Seite befanden sich drei Sitze nebeneinander in Fahrtrichtung und auf der anderen Seite waren je zwei Sitze entgegen der Fahrtrichtung. Ich setzte mich gegen die Fahrtrichtung und zwar so, dass ich die anderen während der Fahrt filmen konnte.
– Der Zug steht abfahrbereit am Bahnsteig –
Dann ging es los. Eine Kamera montierte ich am Fenster, die andere hatte ich griffbereit auf meinem Selfiestick montiert, um jederzeit „aus allen Lagen“ filmen zu können. Die Aufnahmen der an der Fensterscheibe montierten Kamera konnte ich aber nachher vergessen, weil diese in einem wasserdichten Gehäuse montiert war. Dadurch, dass wir bergan fuhren kühlte die Umgebungsluft so stark ab, dass innerhalb des Gehäuses vor der Linse die Luft kondensierte. Das bemerkte ich aber erst, als wir oben angekommen waren.
Selbst hatte ich gar keinen so großen Unterschied bemerkt und auch nicht mit solchen Effekten gerechnet. Aber selbst die unbeeinträchtigten Aufnahmen waren nur bedingt brauchbar, weil trotz der langsamen Geschwindigkeit und des Weitwinkels sich zu viel von Bild zu Bild änderte und deshalb vieles einfach nur unscharf war.
Dennoch war die Fahrt, wie immer, eine Freude und die Passagiere im Zug hatten ihren Spaß, besonders dann wenn auf einem Ausweichgleis ein Zug in Gegenrichtung passierte und man sich aus beiden Zügen mit lautem und freudigem Hallo begrüßte.
– Impressionen aus dem Fahrzeug –
– „Hallo! Ihr fahrt in die falsche Richtung!“ 😉 –
Aber auch der Blick hinein in den atlantischen Regenwald war sehr schön. Nicht dass es sich um einen undurchdringlichen Dschungel gehandelt hätte. Aber dort wuchsen viele tropische Pflanzen in solchen Dimensionen, dass man gar nicht daran denken wollte nach welchen Mühen man sich zu Hause über das eine oder andere neue Blatt einer solchen Pflanze im Blumentopf freute. Hier schien alles ungebändigt zu wachsen.
– Impressionen von der Fahrtstrecke –
– Es geht durch den atlantischen Regenwald (Mata Atlântico) –
– Auch Brücken werden überquert –
– Gelegentlich müssen enge Felsschneisen durchfahren werden –
– Immer die Schienen entlang –
– Unterwegs müssen wir immer wieder auf ein Ausweichgleis –
– Hier müssen wir ausweichen –
– Der Weg führt besonders oben durch enge Felsschneisen –
– Tolle Streckenführung –
– An den Weichen bewegen sich auch die Zahnstangen –
– Die Ausweichstelle „Paineiras“ hat Rückdrückgleis und Bahnsteig –
– Nr. 2 (bergfahrend) muss ausweichen –
– Nr. 2 steht, wir können passieren –
– „Bahnwärterhäuschen“? 😉 –
– Kurz vor Erreichen der Spitze gibt es eine Aussichtsplattform –
– Auch aus dem Zug heraus öffnen sich gelegentlich Ausblicke –
– Welch ein Ausblick –
– Rio scheint weit entfernt zu sein –
– Ein Refugium in Park und Bergen –
– Oben trifft auch die Straße auf die Bahnstrecke –
Schließlich kamen wir oben an und stiegen aus. Über eine kleine Rampe ging es weiter zu Fuß aufwärts. Noch bevor die ersten gequälten Laute vernehmbar wurden hatten wir einen Fahrstuhl erreicht. Ich wusste zwar, dass es weiter oben mit einer Rolltreppe weiter ging, aber an den Fahrstuhl konnte ich mich nicht mehr erinnern.
– Der Zug fährt in den oberen Endbahnhof ein –
– Alle aussteigen! –
Schnell baute sich die Schlange vor den Fahrstühlen ab und es ging hinauf. Wir mussten nur wenige Meter gehen, um zu der Rolltreppe zu gelangen mit der es weiter hoch auf die Terrasse zu Füßen der Christusstatue ging. Alles war sehr bequem und nicht nur ich war zufrieden.
– Hier steigt man aus dem Fahrstuhl –
– Wir lassen auf der Rolltreppe die Ankunftsebene hinter uns –
Die Rolltreppe brachte uns auf die Terrasse, nahe des Eingangs zur Kapelle, welche sich im Sockel der Statue befindet. Der Blick über Rio geht von dort in Richtung des Maracanã-Stadions, also in Richtung Hinterland. Ansonsten hat man eine nahezu vollkommene Rundumsicht von der oberen Terrasse auf Rio de Janeiro. Allerdings bleiben jedoch ab Leblon Ortsteile wie São Conrado und Barra da Tijuca hinter den Felsmassiven verborgen.
Es war an diesem Tag ziemlich voll auf der Plattform. Angesichts der Wartezeiten für die Zugfahrten der Zahnradbahn war auch nichts anderes zu erwarten. Die Menschen drängten sich vor der Statue so dass man kaum die Stufen vor der Christusstatue hinunter gehen konnte. Sie machten Selfies mit der Christusstatue im Hintergrund oder ließen sich, die Arme weit von sich gestreckt, entsprechend fotografieren.
Ich warnte meine Gruppe vor Langfingern. Sich in dem Pulk als Gruppe zu bewegen hätte keinen Sinn gemacht. So sagte ich allen, dass sie sich frei bewegen sollten. Wir wären später unten in einem der Restaurants zu finden. Auf diese Weise hatte ich dann doch noch ein wenig Zeit für meine Frau mit der ich dann Rio aus allen Richtungen betrachtete.
– Die Guanabara-Bucht –
– Der Zuckerhut markiert den Eingang zur Guanabara-Bucht –
– Rechts vom Zuckerhut liegt Copacabana –
– Links Copacabana, rechts Ipanema –
– Hinter Ipanema und Leblon liegt eine wunderschöne Lagune –
Die Ruhe war jedoch nur von kurzer Dauer. Denn nach einer gefühlten halben Stunde kamen die Ungerns zu uns und fragten was es denn sonst noch hier oben zu sehen gäbe. Ich antwortete, dass vielleicht eine kleine Andacht in der Kapelle reizvoll sein könnte oder die Souvenir-Shops sich auch über Umsätze freuen würden. Ach nee, dann würden sie lieber wieder herunter fahren.
Mir war das inzwischen so egal und ich war auch schon fast ein bisschen erleichtert, dass ich ihnen sagte, man könne jeden beliebigen Zug nach unten nehmen und wie das mit den Taxis funktioniere wüssten sie ja auch schon. Wir würden aber noch einige Zeit hier oben bleiben. Dann drehte ich mich wieder zu meiner Frau.
– Schau an, das Sambadrom –
– Der Kegel ist die Kathedrale von Rio de Janeiro –
– Gewaltige Dimensionen hat auch der Friedhof von Rio –
Wie schon auf dem Zuckerhut beobachtete ich wieder die Reisegruppen, die hier schwarmweise über die Terrassen gescheucht wurden. Die Terrasse schien zu atmen. Mal war sie proppenvoll und dann war sie wieder so leer, dass wir ungehindert unsere Fotos machen und uns frei bewegen konnten.
– Viel los da oben –
– Ein Foto mit der Christusstatue im Hintergrund ist ein „MUSS“ –
– Alles muss schnell gehen, sonst verpasst man die Ausfahrt 😉 –
Dann machten wir uns auf eine Etage weiter nach unten zu gehen, um auf der Terrasse eines Restaurants eine Kleinigkeit zu essen und weiterhin dabei den Ausblick zu genießen. Während meine Frau und ich noch nach einem Tisch Ausschau hielten kam auch der Rest der Gruppe hinzu.
– Das sind doch verlockende Aussichten, oder? 😉 –
– Hier spielt sich alles „hinter seinem Rücken“ ab –
Zunächst warteten wir darauf, dass uns ein Kellner einen Tisch zuweisen würde. Als dann jedoch andere, später hinzu gekommene Gäste schneller einen Platz bekamen als wir, handelten wir selbst und belegten sofort zwei frei werdende Tische, direkt am Geländer und mit einem klasse Ausblick auf Ipanema, Leblon und die Lagune.
Die Kellner schienen uns weiterhin ignorieren zu wollen. Mir war das jedoch egal. Noch hatte ich etwas zu trinken bei mir und dazu auch eine Unmenge von Zeit. Hungrig war ich angesichts des Angebotes ohnehin nicht besonders. Es gab nur Fastfood zu knackigen Preisen. Außerdem waren wir damit beschäftigt die Tische und auch uns so unter die Sonnenschirme zu positionieren, dass uns die teilweise stark lötende Sonne nicht zu sehr verbrannte.
Irgendwann bequemte sich dann doch ein Kellner zu uns und wir bestellten; ich beispielsweise ein Bauru mit Bier. Ein Bauru ist vergleichbar mit einem Hamburger, hat aber statt einer Hackbulette eine Scheibe gebratenes Rindfleisch, ähnlich einem Chivito. Im Vergleich zu dem was mir schon an anderen Orten als Bauru offeriert wurde war dieser jedoch so enttäuschend, dass ich dafür nicht einmal die Kamera aktivieren wollte. So saßen wir nun und beobachteten Menschen und die Landschaft bis in den späten Nachmittag.
– Solche Bauru werden am Strand von Barra da Tijuca serviert –
– Wolken zogen über die Hügel von São Conrado –
Als es dann letztlich ans bezahlen ging sagten die Ungerns, dass sie nicht mehr so viel Bargeld hätten und am liebsten alles zusammen mit ihrer Kreditkarte bezahlen würden. Nicht, dass sie uns einen ausgeben wollten, wir sollten ihnen unseren Anteil in bar geben und sie würden dann alles zusammen zahlen.
Na, die Nummer kannte ich ja schon aus Jaraguá do Sul. So verzichtete ich darauf meinen Anteil aufzurunden. Das zusätzliche Trinkgeld wäre ohnehin nicht beim Personal angekommen (10% Aufschlag für den grandiosen Service fanden sich bereits automatisch auf der Rechnung). So rechnete ich aus und zahlte unseren Anteil exakt bis auf den letzten Centavo. Dann fuhren wir wieder herunter zur Bodenstation und anschließend mit zwei Taxen zurück ins Hotel.
– Ein kleines Video der Fahrt hinunter vom Corcovado –
Viel geleistet hatten wir heute nicht, aber die letzten Wochen und eine gewisse Demotivation machten sich doch inzwischen spürbar. Ich ging aufs Zimmer und legte mich hin. Eigentlich wollte ich noch in ein interessantes Restaurant in Leme fahren, aber irgendwie war der Dampf raus.
Als ich wieder wach wurde hatte ich keine Lust mehr noch etwas zu unternehmen. Deshalb entschied ich für uns auf die Dachterrasse zu gehen, da an der Bar eine Kleinigkeit zu bestellen und den Abend auf dem Dach ausklingen zu lassen. Später kamen auch die anderen hinzu.
Leider wollte die Bar schon relativ früh gegen neun Uhr schließen und mir kein Bier mehr verkaufen. Irgendwie war die Dame an der Bar ziemlich störrisch und ließ sich nicht erweichen. Also ging ich hinunter und holte meine zwei Dosen aus der Minibar des Hotelzimmers.
Als ich wieder oben war standen da an meinem Platz zwei weitere Dosen. Was war passiert? Nachdem ich hinunter gefahren war hatte sich da oben offensichtlich eine krude Szenerie abgespielt. Die Zurückgebliebenen hatten beobachtet, wie die Dame, die mir kurz zuvor noch jeglichen Verkauf verweigert hatte, einem offensichtlich brasilianischen Gast doch noch Bier verkaufte.
Daraufhin war der Ungern an die Bar gegangen und reklamierte für sich das gleiche Recht, kaufte und bekam zwei weitere Dosen Bier. Zurück am Tisch fragte meine Frau für wen die seien. Nun natürlich nur für ihn, für wen denn sonst? Worauf hin auch meine Frau zur Bar ging und auf den Tresen schlug, mit dem Ergebnis auch für uns noch einige Dosen zu bekommen.
Da sind auf der Reise doch so einige selbstbewusst geworden. Was sagt man dazu?
Hier geht es weiter: Brasilien 2016 – Tag 19 Schnelles Ende
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