Schon bei meinen Planungen in Deutschland hatte ich für den „Tag nach der Pomerana“, oder wie andere sagen würden „The Day (in the) After!“ etwas mehr Ruhe eingeplant. Selbst wer die Anreise und sonstige Erschwernisse gut ertragen hätte, hatte in der letzten Nacht die Chance an seine Grenzen zu gehen. Bei der letzten Reise 2009 hatten wir Leute dabei, die wohl erst zum Frühstück von der Pomerana zurück gekommen wären. Jetzt waren die Grenzen schneller erreicht, teilweise sogar deutlich vor Mitternacht.
Der Sonntag sollte in jedem Falle ein ruhiger Tag bleiben. Darum hatte ich bereits am Vortag in unserer Pousada angekündigt, dass wir erst recht spät zum Frühstück erscheinen würden. Die Pousada war klein und wurde familiär geführt. So stellte das dann auch kein Problem dar. Wir kamen auch erst ganz langsam in die Gänge.
– Die Palmenallee unserer Pousada –
In meiner Reiseplanung hatte ich für jeden Tag einen Programmvorschlag vorbereitet. Es sollte jedoch stets jedem selbst überlassen bleiben diesem zu folgen oder etwas eigenes anderes zu machen, je nach persönlicher Präferenz. Immerhin war die Zeit insgesamt knapp bemessen. So boten sich für heute drei Alternativen:
- Was die Pomerana anging, so war das heute ihr letzter Tag. Für den Vormittag war wieder ein Umzug angesetzt und anschließend ein Familiennachmittag mit Folklore und viel Unterhaltung bei moderater Musik auf dem Festgelände und freiem Eintritt.
- Natürlich konnte man den Tag auch am Pool der Pousada verbringen. Ländlich und ruhig gelegen hätte man da auch die Seele baumeln lassen können. Das Wetter war dafür wie geschaffen.
- Mein Programmvorschlag ging dahin, dass wir zunächst zur Vila Germânica in Blumenau fahren wollten, also dorthin wo das jährliche Oktoberfest stattfindet. Anschließend sollte es wieder nach Pomerode gehen, um den Ort näher kennenzulernen und soweit dann noch Zeit bliebe stünde der Pool noch immer bereit.
Alle folgten meinem Vorschlag und so machten wir uns gemeinsam auf zur Vila Germânica. Sie ist eigentlich ein Komplex aus drei großen Messehallen mit einem umliegenden Gelände. Auf dem Außengelände wurden inzwischen viele Restaurants und Souvenirläden im Fachwerkstil aufgebaut.
– Auf dem Gelände der Vila Germânica –
– Fachwerk bestimmt das Bild –
– Hier kann man einkaufen bis die Kreditkarte qualmt-
– Die Ladengasse –
– Ein Andenken muss mit –
Inzwischen hat das Oktoberfest Dimensionen erreicht, dass auch draußen zusätzliche Festzelte aufgebaut werden müssen, um die Menschenmassen bewältigen zu können. Während des Festes kommen am Wochenende täglich über 60.000 Gäste aus ganz Südamerika und dem Rest der Welt. Es ist die Hölle los. Fragt man Südamerikaner nach dem besten Fest in Brasilien, dann kommt inzwischen das Oktoberfest vor dem Karneval in Rio. Es ist die Mischung, die das Fest so interessant macht. Denn es ist nicht nur eine Riesenparty, sondern auch eine Art bayrisches und folkloristisches Kostümfest mit karnevalistischen Ausprägungen. Wer in Tracht erscheint braucht keine Eintrittskarte.
– Es geht hoch her auf dem Oktoberfest –
Während des Oktoberfestes gibt es fünf Umzüge durch die Stadt, drei an den Samstagen und zwei jeweils Mittwoch. Ich bevorzuge den Mittwoch, denn dann findet der Umzug abends statt, was je nach Wetterlage durchaus angenehm sein kann. Auch das Festgelände ist nicht so überlaufen wie an den Wochenenden.
– Bei dem Umzug wird eingeheizt was das Zeug hergibt –
Wir schlenderten nun also durch die Außenanlagen der Vila Germânica, denn diese sind ganzjährig geöffnet und in Betrieb. Der Zugang zum Gelände ist außerhalb von Veranstaltungen kostenfrei. Verschiedene Souvenirs wechselten den Eigentümer.
Auch unsere brasilianischen Freunde gesellten sich zu uns. Sie hatten schon Hunger und dachten, dass wir auch dort essen wollten. Aber wir hatten ja erst gerade gefrühstückt. So nahmen wir zwar mit ihnen zusammen in einem Restaurant Platz, weil wir aber vom Frühstück noch satt waren reichte bei uns „flüssige Nahrung“. 😉 Beim gemeinsamen Gespräch lernten sich alle ein wenig besser kennen.
– Luftige Restaurants mit Schwarz-Rot-Gold –
Dann wurde es aber Zeit zum Aufbruch, denn wir wollten noch etwas anderes sehen. Obwohl Blumenau das Image einer gepflegten deutschen Stadt kultiviert gibt es aber in der Stadt außer der Vila Germânica und der Innenstadt selbst nicht viel Sehenswertes. So machten wir uns schnell auf den Weg durch die Innenstadt von Blumenau zurück nach Pomerode.
Auf dem Weg nach Pomerode legten wir noch einen kleinen Halt beim Club des „1° de Janeiro“, also dem Club unserer Freunde ein. Im Gebäude wird zum Wochenende der Festsaal an einen Pächter vermietet, der auch für den heutigen Tag wieder zum „Ringelpiez“ eingeladen hat. Es ist erstaunlich wie gut besucht diese nachmittäglichen Tanzveranstaltungen für die vorwiegend ältere Generation sind.
Als wir dort eintrafen war noch nicht viel los, aber einige andere Freunde aus dem Club waren schon da – sogar welche, die uns bereits in Deutschland besucht hatten. Antônio öffnete uns die Türen zu den weiteren Clubräumen, so dass wir die Bocciabahn, den unteren Clubraum und die Schießstände besichtigen konnten.
– Das Clubgebäude des „1° de Janeiro“ –
Unser Aufenthalt war nur kurz, denn der Pächter musste sich nun um seine zahlenden Gäste kümmern und wir wollten ohnehin weiter.
Als erstes wollten wir in Pomerode das „Tortenparadies“ aufsuchen. Dort gibt es ebenfalls einen Mittagstisch. Aber darüber hinaus bieten sie am Nachmittag auch „Café Kolonial“ an. Das heißt Kaffee und Kuchen, sowie auch Schnittchen und vieles mehr für den kleinen Hunger, der sich bei einigen langsam einschlich.
– Das Tortenparadies in Pomerode –
Angesichts der Tageszeit und der Perspektive, dass wir zum Abend hin wieder essen gehen wollten, blieb es zumeist bei einem kleinen Teller mit einer kleinen Auswahl vom Buffet. Abgerechnet wurde im „Tortenparadies“ übrigens nach Gewicht auf dem Teller („o Kilo“) und der Anzahl der Tassen Kaffee. Weil auch der Eigentümer, der sein Handwerk in Deutschland gelernt hatte, an der Kasse saß, ergab sich zudem die Gelegenheit für einen kleinen Plausch.
Der Nachmittag war schon vorangeschritten und ich wollte nicht wieder vor den verschlossenen Türen des Immigrantenmuseums stehen. Also war das Haus des Carl Weege unser nächstes Ziel. Auf dem Weg dorthin führt die Straße ein kleines Stück an einem Wildbach entlang. In diesem badeten und erfrischten sich viele Pomeroder. Wäre verlockend gewesen auch ein Bad dort zu nehmen, aber die Zeit …
– Baden im Wildbach –
– Life is good –
Stattdessen erreichen wird das Immigrantenmuseum kurz danach. Es ist zu unser aller Freude geöffnet und kostet keinen Eintritt. Das Museum besteht aus einem Haupthaus, so wie sie früher von den Immigranten gebaut wurden und vielfach noch in der Umgebung stehen, sowie einigen Wirtschafts- und Nebengebäuden. Die Gartenanlagen herum sind sehr gepflegt und machen einen einladenden Eindruck.
– Das Immigrantenmuseum in schöner Landschaft –
– Seitenansicht –
– Hinter dem Haupthaus –
Das Haupthaus ist nicht sehr groß. Vor dem Haupteingang befindet sich eine Veranda. Geht man ins Haus hinein, so betritt man gleich die „Gute Stube“, die heute mit Möbeln, Textilien und weiterem Inventar aus jener Zeit ausgestattet ist. An einer Wand ist der Stammbaum der Familie Weege aufgezeichnet, die durch ihren wirtschaftlichen Erfolg die Region maßgeblich mitgeprägt hat. Einige der dort eingezeichneten Personen leben noch heute.
– Die Gute Stube mit Stammbaum –
Zwei Türen führen aus der „Guten Stube“ in Schlafräume. Das etwas größere Zimmer ist als Elternschlafzimmer ausgestattet, während in dem anderen Zimmer zwei kleinere Einzelbetten stehen und das Kinderzimmer darstellen sollen. Zwei Betten werden für die Kinder einer Familie in jener Zeit nicht ausgereicht haben, da doch in der Regel deutlich mehr Kinder zu einer Familie gehörten.
Die dritte Tür führt aus der Stube in den Wirtschaftsraum, in dem gekocht und gewaschen, bzw. alles weitere für den Haushalt erforderliche erledigt wurde. Von dort führte auch eine Treppe auf den Dachboden. Dort schliefen vermutlich die älteren Kinder, während das untere Kinderzimmer eher den Kleinkindern vorbehalten war.
Die Nebengebäude stellten einerseits einen Unterstand für die Ackergeräte dar und andererseits eine kleine Mühle, in der in kleinem Rahmen Mehl gemahlen werden konnte.
Wir machten uns wieder auf den Weg. Es geht zur Rota do Enxaimel. Enxaimel bedeutet Fachwerk und die Rota do Enxaimel führt einige Jahrzehnte zurück in die Zeit, in der eben die Häuser mit Fachwerk gebaut wurden. Nach einigen hundert Metern endet der gepflasterte Teil und es geht weiter über Lehmstraßen, die große Staubfahnen hinter jedem Fahrzeug aufwirbeln.
Aus dem Grunde ist auch alle paar Stunden ein Berieselungsfahrzeug unterwegs, um die Straße anzufeuchten. Man sieht aber an dem Staub auf den Häusern, dass das nicht ausreichend ist. Dies sind die Wege, die ich liebe, denn sie führen einen schnell heraus aus der Zivilisation in eine andere Welt – eine Welt von Gestern und Vorgestern. Das ist es was den Charme der Rota do Enxaimel ausmacht.
– Rota do Enxaimel. Fachwerk am Wegesrand –
– Bloss keinen Staub aufwirbeln –
– Verborgen im Palmenwald –
– Keine Gott-lose Gegend –
Wir fahren und fahren und haben uns auch schon verfahren. Wir kehren um und fragen an einem der Häuser nach dem Weg. Als die Bewohner erfahren woher wir kommen werden wir spontan eingeladen. Leider müssen wir das ablehnen, denn wir haben noch einiges vor. Wären wir aber ausgestiegen, so wäre der Tag gelaufen gewesen. Wir hätten sicherlich viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, um sie wieder verlassen zu dürfen. Man spürt den Menschen ihre Gastfreundschaft sofort an. Vielleicht hole ich das einmal später alleine nach! 😉
Eine gute Stunde waren wir auf der Fachwerkroute unterwegs und fuhren zurück zur Pousada. Es blieb nicht mehr viel Zeit zum Ausruhen, aber für ein Bad im Pool reichte schon noch.
Gegen Abend wollten wir zur Schornsteinbrauerei, der örtlichen Brauerei von Pomerode, fahren. Dort angekommen waren unsere brasilianischen Freunde bereits da und teilten uns mit, dass das zugehörige Restaurant gerade schließen wolle. Hmm – eine Alternative musste her. Die fanden wir letztlich in einer Pizzeria in der Nähe des Stadttores von Pomerode.
Dort verbrachten wir den restlichen Abend, bestellten einige große Pizzen, die aufgeteilt wurden und tranken auch das eine ums andere Bierchen. Relativ zeitig ging es dann auch wieder zurück zur Pousada, denn auch dieser Tag musste verarbeitet werden und auf unsere brasilianischen Freunde wartete teilweise am nächsten Tag wieder die Arbeit.
Hier geht es weiter: Brasilien 2016 – Tag 4 – Viel mehr Meer
Ich hoffe, dass die Geschichte bisher gefallen hat. Falls ja, warum nicht die eigenen Freunde darauf aufmerksam machen? Damit sie nicht suchen müssen, schicke ihnen diesen Link, der auch zurück zur Übersicht führt: Freundschaftsreise nach Brasilien 2016
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