Die Anzahl der Attraktionen rund um Foz do Iguaçu ist nicht nur auf die Wasserfälle selbst beschränkt, auch wenn diese für die meisten Besucher der Hauptgrund für eine Anreise sein werden. Was die Region so interessant macht ist dieses Dreiländereck mit seinen länderübergreifenden Sehenswürdigkeiten, die zudem meistens auch noch mit Wasser (viel Wasser) zu tun haben.
Argentinien und Brasilien teilen sich die Wasserfälle, Paraguay und Argentinien teilen sich im Süden Paraguays ein großes weithin unbekanntes Wasserkraftwerk am Paraná mit Namen Yacyretá und einer Leistung von immerhin 4.000 Megawatt. Bezüglich der Leistung deutlich übertroffen wird es jedoch durch das bekanntere Wasserkraftwerk von Itaipú mit einer Leistung von rund 14.000 Megawatt. Letzteres teilen sich Brasilien und Paraguay.
Genau wie das Wort „Iguaçu“ (Großes Wasser) entstammt auch das Wort „Itaipú“ der indigenen Sprache Guaraní und bedeutet „Fels (Itá) der (i) singt (pú)“. Was es jetzt mit diesem singenden Felsen selbst auf sich hat habe ich noch nicht herausfinden können. Ob sich an der Stelle nun ein mythischer Stein befand, an den erinnert werden soll, oder ob die Talsperre selbst mit seiner „Musik“ als singender Fels gemeint ist habe ich noch nicht herausfinden können.
Offiziell heißt das gesamte Ensemble „Itaipu Binacional“, weil es sich auf einem Gebiet befindet, zu dem sowohl Paraguay, als auch Brasilien Gelände eingebracht haben. Selbstverständlich sind die Besitzverhältnisse an Wasserkraftwerk, dazu gehöriger Itaipú-Staumauer sowie dem Itaipú-Stausee am Paraná an der Grenze zwischen Paraguay und Brasilien eindeutig geklärt und zwischen den beiden Ländern aufgeteilt.
Weil Paraguay seinerzeit nicht die finanziellen Mittel zur Bezahlung seines Anteils hatte verkauft Paraguay bis heute zur Refinanzierung einen großen Anteil, des über seine Turbinen erzeugten Stroms an Brasilien und Argentinien. Die paraguayischen Turbinen arbeiten übrigens mit einer Frequenz von 50 Hertz, während die brasilianischen Turbinen und Netze mit einer Frequenz von 60 Hertz arbeiten.
Interessant für die Techniker: Der mit den paraguayischen Turbinen erzeugte und zum Verkauf bestimmte Strom wird zunächst gleichgerichtet. Dann wird er z.B. über eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) Trasse nach São Paulo geschickt; das sind rund 850 km. Erst dort findet eine Umwandlung auf 60 Hertz und Einspeisung in das brasilianische Verteilnetz statt.
Bis zur Fertigstellung des Drei-Schluchten-Stausees in der Volksrepublik China im Jahr 2006 war Itaipú bezüglich der Leistung das größte Kraftwerk der Erde überhaupt. Aufgrund der hohen Auslastung der Turbinen bleibt Itaipú in Bezug auf die Jahresenergieproduktion auch nach 2006 weiterhin an erster Stelle.
Wenn alle 20 Turbinen auf voller Leistung laufen, dann durchströmen sie die etwa 10-fache Menge an Wasser, die zeitgleich von den Wasserfällen herab rauscht. Ein Controller würde jetzt den Stift spitzen und nachrechnen: Wenn also die Wasserfälle etwa ein Zehntel des Wasserverbrauchs aller Turbinen entsprächen, dann könnte man mit dieser Wassermenge auch alternativ ca. 1.400 Megawatt erzeugen.
Die Preisspanne für eine Megawattstunde liegt in Brasilien zwischen 300 und 400 Real, umgerechnet ca. 100 Euro. Würde man also diesen Preis ansetzen, dann rauschen an den Wasserfällen jede Stunde ca. 140.000 Euro hinunter. Das rechne mal einer auf die Besuchszeiten der beiden Nationalparks und die resultierenden Eintrittspreise um! 😉
Aus Sicht eines Controllers müsste man die Wasserfälle in jedem Falle schließen und abtrocknen und bestenfalls als Überlauf nutzen dürfen, egal welchen Effekt das auf Natur und andere Wirtschaftszweige hätte. Wer denkt jetzt nicht unwillkürlich an die Controller in seiner eigenen Firma? 😉 Andererseits hängen auch am Tourismus viele Arbeitsplätze und dieser kann nur mit einer halbwegs intakten Natur und lebendigen Wasserfällen funktionieren.
Ich möchte darauf verzichten an dieser Stelle sämtliche technische Daten zum „Itaipu Binacional“ (alles Superlative) herunterzubeten. Das Internet ist voll mit Daten, historischen Erzählungen zum Bau und weiteren Hintergründen. Ich möchte lieber beschreiben, wie so eine Besichtigung des Kraftwerks abläuft.
Starten wir im Hotel: Um zum Staudamm zu kommen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Selbstverständlich bieten die Hotels eigene Shuttle Services oder Fahrdienste von Drittanbietern an; auch eine Taxifahrt ist denkbar. Das alles wird aber wegen der Entfernung nicht unbedingt eine billige Sache. Alternativ kann man auch irgendeinen Nahverkehrsbus zur zentralen Busstation nehmen. Dort steigt man um in Busse, die direkt zur Talsperre fahren, ohne eine neue Fahrkarte kaufen zu müssen.
– Die Buslinien zum „Itaipu Binacional“ –
Man kann vom zentralen Busbahnhof in nahezu alle Teile von Foz do Iguaçu fahren, z.B. auch zur Freundschaftsbrücke nach Paraguay.
Aber wir wollen weiter nach „Itaipu Binacional“. Die Strecke ist tagsüber mit Bussen gut frequentiert, denn es gibt neben den wenigen Touristen, welche gelegentlich einen solchen Bus nutzen auch viele Arbeiter und Angestellte an der Anlage, die ebenfalls den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Für alle Busse in Richtung der Talsperre ist „Itaipu Binacional“ die Endstation, so dass es nicht erforderlich ist die Haltestationen aufmerksam zu zählen. Das Fahrt kostet je Richtung weniger als einen Euro pro Person.
Will man auf das Gelände „Itaipu Binacional“ fahren, dann muss man sowohl von brasilianischer Seite, als auch von paraguayischer Seite eine Zollstation durchfahren. Das ist so als würde man in einen Freihafen fahren. Zolltechnisch reist man aus, bleibt aber weiterhin auf dem Staatsgebiet, wobei es innerhalb des „Itaipu Binacional“ selbst keine weitere Grenzkontrolle gibt.
Als Besucher von Staudamm und Kraftwerk bewegt man sich quasi innerhalb eines geschlossenen Systems. Man kann unterschiedliche touristische Informationspakete buchen, unter anderem auch eine komplette Führung durch das Kraftwerk. Die Special-Tour mit Besichtigung der Turbinenanlage dauert rund zwei Stunden.
Zur Identifikation erhält jeder Besucher einen Besucherausweis, der am Band um den Hals getragen wird. Es ist übrigens nicht erforderlich einen Personalausweis oder Reisepass dabei zu haben. Dennoch empfiehl es sich immer in Brasilien zumindest irgendwelche Ausweiskopien mit sich zu führen.
In der Regel beginnen die Touren damit, dass zunächst im Besucherzentrum ein Informationsfilm gezeigt wird bei dem Geschichte und Daten der Anlage vermittelt werden. Es gibt auch einige Modelle anhand derer man sich einen Überblick über den Aufbau von Staumauer, Kraftwerk und Turbinen verschaffen kann.
– Aufbau des Hydrokraftwerks –
– Generatormodell –
– Modell eines Generatorankers –
Vor dem Besteigen der Busse erfolgt eine Sicherheitskontrolle, ähnlich einer Flughafenkontrolle. Sperriges Gepäck und Taschen müssen eingeschlossen werden. Gefährliche Gegenstände dürfen nicht mitgeführt werden. Es gehört in Brasilien zum guten Ton und ist vermutlich sogar unter bestimmten Bedingungen vorgegeben, dass in Bussen Wasser bereitgestellt wird. So auch hier. Es gibt das Wasser in kleinen Bechern, die uns sofort an Joghurtbecher denken lässt. Danach geht es los.
Man durchfährt die Zugangskontrolle zum „Itaipu Binacional“, die wie eine Zollstation wirkt und das auch in gewisser Weise ist. Dann geht es durch ein parkähnliches Gelände, auf welchem man gerade mit dem Bau einer Universität begonnen hat. So soll die gesamte Anlage weiter aufgewertet werden. Es ist sehr wahrscheinlich Wasserschweine anzutreffen, aber auch Kaimane sollen in den Gewässern leben.
Die Fahrt führt zu verschiedenen Aussichtspunkten von denen aus man die Staumauer betrachten kann.Interessant ist die Konstruktion der Ablassventile mit dem ein zu hoher Wasserstand an der Staumauer reguliert werden kann. Werden die Schleusen geöffnet, dann schießt das Wasser eine lange Rutsche entlang, um am Ende dieser Rutsche in die Luft geschleudert zu werden. So kann ein Teil des Wassers an die Luft abgegeben werden und belastet nachfolgende Gewässer weniger stark.
– Überflutbereich zum Ablassen überschüssigen Wassers –
– Die Schleusentore –
– Gigantische Schleusen –
An einigen Stationen gibt es Souvenirshops. Leider sind die Stopps jeweils immer recht kurz, so dass man es gerade schafft die Eindrücke irgendwie in den Speicherchip seiner Kamera zu bringen. Fraglich, wie da überhaupt ausreichend Umsatz in den Shops erzielt werden kann.
Abschließend geht es dann zu den Turbinen selbst die, je näher man kommt, immer größer werden.
– Die Turbinen des Hydrokraftwerks –
– Blick auf die Wasserrohre der paraguayischen Turbinen –
– Auf der Staumauer –
– Durch die Wasserrohre –
– Die Rohre vibrieren –
Die Führung geht hinein und mit einem Fahrstuhl hinunter in den Turbinensaal, der groß genug ist einzelne Turbinen ausbauen und ggf. dort transportieren zu können.
– Blick von oben in die Turbinenhalle – Paraguayische Hälfte –
– Die paraguayische Hälfte der Turbinenhalle –
– Die brasilianische Hälfte kann sich auch sehen lassen –
– Rotierende Generatorwelle –
Abschließend geht es hinüber zum Kontrollzentrum, welches genau auf der Landesgrenze zwischen Paraguay und Brasilien liegt. Interessant anzusehen ist, dass die Leitstände beider Länder innerhalb eines Raumes aufgestellt sind. Dennoch sind sie so weit getrennt, dass eine Seite die brasilianischen Turbinen überwacht und die andere Seite die paraguayischen Turbinen.
– Übersichtsschaubild der gesamten Anlage –
– Leitstand der brasilianischen Anlage –
– Leitstand der paraguayischen Anlage –
Mit der Besichtigung des Leitstandes endet die Tour und es geht anschließend wieder zurück zum Besucherzentrum. Die Dimensionen der gesamten sind enorm. Eine Besichtigung lohnt sich auch an Tagen, die nicht so besonders gut sind, denn ein großer Teil der Tour findet im Bus und innerhalb geschlossener Gebäude statt.
Solange ich meinen eigenen Film zu „Itaipu Binacional“ noch nicht habe fertig stellen können möchte ich Euch diesen Film empfehlen. Anders als bei diesem Film waren wir auch in der Turbinenhalle, dafür konnten wir das Ablassen des Wassers durch die großen Schleusen leider nicht erleben, denn das passiert nur noch relativ selten zu etwa 10% der Zeit.