Brasilien 2016 – Tag 15 – Alles Samba oder was?

Nachdem der gestrige Tag gut ausgeklungen war spürte ich doch am Morgen einen leichten Druck unter der Schädeldecke. Eine Limette in den Caipis von gestern war wohl überreif. Passiert mir immer wieder wenn ich was mit Limette trinke. Ich vertrage zu viele Vitamine offensichtlich nicht. Aber ganz weglassen schmeckt auch nicht! 😉

Das war aber nicht weiter schlimm, denn für heute stand zunächst nicht viel an. Es war Abreisetag und der Abflug war erst für die Mittagszeit vorgesehen. Also gab es ein spätes Frühstück. Wer wollte konnte sich die Zeit vertreiben und beispielsweise in den Souvenirbasar neben dem Hotel gehen.

Ich hingegen wollte schauen, ob denn das Internet wenigstens ein bisschen Aktivität zeigt, wenn die meisten Gäste das Hotel für ihre Ausflüge verlassen hatten. Meine Frau machte sich Gedanken, wie denn unsere Koffer neu zusammengestellt werden sollten. Denn nach unserem nächsten Reiseziel würde sie nach Deutschland zurückkehren, während ich in Südamerika bleiben wollte.

So verlief der Vormittag wenig spektakulär für uns und auch der Weg zum Flughafen, zu dem wir von unserem Hotel aus nur rund zehn Minuten brauchten, brachte nichts über das man hier berichten müsste. Der Flughafen in Foz do Iguaçu ist klein, aber ganz nett. Zu den Flugzeugen muss man auf separaten Wegen gehen, denn es gibt keine „Rüssel“ und Busse kommen nur zum Einsatz, wenn es regnet.

– Ein erster Blick auf das Vorfeld –
Rio-SDU (8)– Bei dem Wetter geht es zu Fuß zum Flieger –
DCIM100GOPROGOPR1343.– Flughafen von Foz do Iguaçu –
Rio-SDU (1)

Der Abflug ging dann in nördliche Richtung und ich saß auf der linken Seite. So konnte ich keinen letzten Blick auf die Wasserfälle werfen. Stattdessen konnte ich den See zur Staumauer von Itaipú erblicken, bevor unsere Maschine die leichte Wolkendecke durchbrach.

– Am Horizon ist Itaipú –
Rio-SDU (2)

Nach etwa 90 Minuten erreichten wir São Paulo am Flughafen Viracopos. Hier war ich noch nie zuvor gelandet, obwohl ich schon manchen anderen Flughafen der Stadt angeflogen hatte. Viracopos erschien mir ein kleines bisschen größer als Foz do Iguaçu. Aber auch hier hieß es wieder den Weg zum Flughafengebäude zu Fuß zurück zu legen.

Nur eine Stunde später ging es weiter. Wieder hatte ich einen Platz auf der linken Seite bekommen. Ich muss zugeben, dass ich beim Anflug auf den Stadtflughafen von Rio de Janeiro „Santos Dumont“ einen Platz auf der rechten Seite bevorzuge. Denn häufig fliegt man über dem Maracanã Stadion ein und setzt nahe der Christusstatue zum Landeanflug an, der zu allem (freudigen) Überfluss dann auch dicht am Zuckerhut vorbei führt.

Ich hatte mich also darauf vorbereitet zu nehmen wie es kommt und genoss den Blick über diese große Stadt. Unsere Maschine flog jedoch nicht an die Christusstatue heran, sondern überflog „Santos Dumont“ um zu einer ausgedehnten Landeschleife über der Guanabara Bucht anzusetzen. Schnell zückte ich meine Kamera, um die nachfolgende Aufnahme für Euch Leser zu sichern:

Der Stadtflughafen „Santos Dumont“ hat einen älteren Teil mit einer Säulenhalle, die offensichtlich zu damaliger Zeit eben gleich auf das Zentrum der Stadt einstimmen sollte. In diesem Teil kommt man auch an und ist zunächst überrascht von diesen hohen Decken.

– Na wenn das kein Empfang ist? –
Rio - Samba (5)

Da ich mich einigermaßen auskannte ging ich gleich durch die Haupthalle zur Straße, auf der normalerweise die Taxis dicht gedrängt auf Kundschaft warten. Heute war es jedoch anders. Die eintreffenden Taxis fuhren vor und waren schnell mit Fahrgästen belegt und wieder fort. So ging ich die Fassade entlang bis zu dem Punkt wo sie anhielten.

Dort angekommen bemerkte ich, dass die Taxis von einweisenden Kräften belegt wurden und hinter diesen „Kräften“ baute sich eine Schlange auf. Wir wollten uns einreihen und gingen entlang der Schlange wieder hinein ins Gebäude. Letztlich fanden wir das Ende der Schlange dort, wo wir schon zuvor das Gebäude verlassen hatten.

Ich rechnete mit einer Wartezeit von rund einer Stunde. Das war umso grotesker, als unser Hotel auch nicht weit entfernt war. Es lagen nur einen Kilometer Luftlinie zwischen uns und dem Hotel. Allerdings würde ich den Weg vom Flughafen zum Hotel mit Gepäck nicht mal dann gehen, wenn ich alleine gewesen wären. Mit fünf Greenhorns dabei verschwendete ich keinen Gedanken an einen solchen Trip. Also hieß es anstehen und warten.

Angesichts der Tatsache, dass ich ohnehin mal wieder knapp bei Kasse war wollte ich die Gelegenheit nutzen, um etwas Geld aus einem Automaten zu ziehen. Üblicherweise funktioniert meine Karte am besten bei einer HSBC-Bank. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Schalter oder Automaten. Man schickte mich in ein weiteres Gebäude am anderen Ende des Flughafens.

Endlich dort angekommen musste ich mich in eine Schlange bereits Wartender einreihen. Ich beobachtete und stellte mir vor, dass ich noch ausreichend Zeit haben würde. Aber irgendwie brauchte jeder vor mir recht lange und auch jeder ging irgendwie unzufrieden wieder fort.

Als ich endlich an der Reihe war schob ich meine Karte ein. Alles funktionierte scheinbar optimal. Ich tippte meine PIN ein, konnte aber nur drei Ziffern eingeben. Eine Ziffer funktionierte aber nicht. Ja, gibt es denn so etwas? Ich versuchte und versuchte, gab aber dann auf und kehrte zurück zu meiner Gruppe. Diese war inzwischen so weit vorgerückt, dass sie bereits in eines der nächsten Taxis einsteigen konnte.

Das erste Paar von uns stieg ein und fuhr los. Dann wurden Ungerns und wir von einer der Einweiserinnen gefragt, ob wir zusammen gehören würden. Nun ja, … Weil das nächste Taxi sei ein großes und wenn wir nicht allzu weit fahren würden, dann könnten wir doch zusammen … Na ja, es war ja nur ein Kilometer, was sollte da schon schief gehen?

Das Taxi fuhr vor und ich fragte mich wie die Frau auf die Idee gekommen sei, dass das jetzt ein großes Taxi wäre. Ich versuchte dem Taxifahrer klar zu machen, dass das wohl nicht funktionieren könne, aber auch er lies sich nicht bekehren und begann die Koffer in den Wagen zu stopfen. Wir sollten einsteigen.

Hinten saß meine Frau zwischen den Ungerns eingeklemmt und mir war klar, dass ich gleich wieder enorme Aufbauarbeit würde leisten müssen. Aber das alleine war es auch nicht, denn einer der Koffer ragte über die Rückenlehne nach vorn und stieß an den Kopf meiner Frau. Ich hatte es vorn bequemer, denn ich bekam nur einen kleinen Reisekoffer auf meinen Schoß gelegt. Da konnte ich mich zwar auch nicht mehr bewegen, hatte aber zumindest nichts was mir ständig am Kopf hämmerte.

Wir fuhren los, bzw. der Wagen setzte sich ächzend in Bewegung. Ich fragte warum das Taxameter nicht eingeschaltet sei und bekam zur Antwort, dass das nicht notwendig sei bei der kurzen Strecke und ich bezahlen solle, was ich für angemessen halte. Also wieder einer, der uns für depperte Turis hielt, die ohnehin das zahlen, was sie in ihren Ländern zahlen müssten.

Zum Glück hatte die Fahrt ein schnelles Ende und wir mussten nicht noch irgendwelche Schleifen durch Einbahnstraßen ziehen. Wir stiegen aus, luden die Koffer aus und ich zahlte was ich für angemessen hielt. Und? … Klar, dass das ein Gezeter gab. Aber ich kannte die Preise und gab ihm das was ich für durchaus großzügig hielt und schickte die anderen schon mal ins Hotel mit dem Gepäck.

Dann bot ich dem Taxifahrer an, dass wir im Hotel nach den Preisen für eine solche Fahrt fragen könnten. Er zog es aber vor schnaufend ins Taxi zu steigen und abzufahren. Im Hotel fragte ich die beiden anderen was sie den bezahlt hätten und siehe da: Ich hatte exakt den doppelten Preis gezahlt für vier Personen, den die beiden anderen zuvor gezahlt hatten. Es gab also keinen Grund für mich an meinem Urteilsvermögen zu zweifeln! 😉

Wir checkten ein. Ungerns hatten ein (teureres) Zimmer im Hotel direkt und wir beiden anderen Paare hatten jeweils ein preiswerteres Apartment auf der gegenüber liegenden Straßenseite gebucht, das aber auch vom Hotel gemanagt wurde. Uns wurde erklärt, dass man ausgebucht sei und wir deshalb ein „Upgrade“ bekämen für ein Zimmer im Hotel. War mir egal, denn ich wollte mich erst einmal von der Anreise ausruhen.

Im Zimmer angekommen fragte ich mich, ob das jetzt allen Ernstes ein „Upgrade“ sei. Zwar war die Bude einigermaßen ok, aber doch so klein, dass neben den Betten kaum Platz war, um daran vorbei gehen zu können. Die Klimaanlage funktionierte auch nicht und es war total heiß.

Deshalb nahm ich mir die Kiste etwas genauer vor und zog die Frontblende ab und erblickte eine flächendeckend mit Schimmel zugesetzte Kühlplatte. Da musste man schon froh sein, dass da keine Luft mehr durchging und so langsam verstand ich auch wo mein Problem mit den Kimaanlagen in Brasilien seinen Ursprung hatte. Wenn die alle so aussahen wie diese, dann brauchte ich keine weiteren Erklärungen für meine häufigen Erkältungen im Zusammenhang mit Klimaanlagen mehr. Hier veranlasste ich eine Grundreinigung durch das technische Personal des Hotels.

– Schimmelparadies Klimaanlage –
DCIM100GOPROGOPR1372.

Zunächst hatten wir Kommunikationsprobleme mit der hausinternen Telefonanlage und konnten keinen Kontakt mit dem Paar im Apartment auf der anderen Straßenseite aufnehmen. Als diese uns später aber Bilder von ihren Räumen zeigten war ich mit der Bezeichnung „Upgrade“ einverstanden.

Wir packten aus und ruhten ein wenig. Aber dann bekamen wir zu spüren, dass es seit dem Frühstück nichts Ordentliches mehr zu essen gab. Wir verabredeten uns im Foyer des Hotels.

Schon in Foz do Iguaçu hatte ich allen mitgeteilt, dass ich plante für den Abend zum Sambadrom (die Brasilianer sagen „Sambódromo“) zu fahren und zu schauen, ob ich dort Tickets kaufen könne. Für den Fall, dass für den heutigen Abend Tickets verfügbar seien, dann würde ich gleich hinein gehen und ansonsten versuchen Tickets für einen der kommenden Abende zu kaufen. Alle wollten mitkommen und für den Fall, dass wir noch heute hinein kämen auch hinein gehen.

Zuerst galt es jedoch den Hunger zu stillen. Als wir das Hotel verließen bemerkte ich, dass vor den Fenstern des Hotels große OSB-Holzplatten montiert waren. Man rechnete offensichtlich mit nächtlichen Randalierern oder sonstigen Störern, die gegebenenfalls die Scheiben einschlagen könnten. Ähnlich waren auch die weiteren Häuser in der Straße abgesichert. Das hob nicht gerade das Selbstvertrauen der Gruppe.

Wir gingen durch eine schmale Gasse, in der an einigen Tischen Leute saßen und tranken. Hinter einem Container urinierten Frauen auf die Straße. Die meisten Bars und Restaurants waren verschlossen und verbarrikadiert. Die Leute hatten Getränke in eigenen Kühlboxen dabei und waren bereits mächtig angetrunken, aber friedlich. Wir waren froh, dass es noch hell war und mir war klar, dass es in der Nacht schwer sein dürfte die Gruppe heile dadurch zu bekommen.

Wir kamen auf einen großen Platz, die Praça Floriano. Auch hier waren viele Menschen in Bewegung und es war eine Bühne aufgebaut. Offensichtlich ging auch hier während des Karnevals die Post ab. Das Angebot an geöffneten Restaurants war an dem Platz übersichtlich, aber zumindest fanden wir ein „nordamerikanisches Spezialitätenrestaurant“, eine bekannte Burgerkette. In der Hoffnung dort wenigstens minimale Hygienestandards und einigermaßen bekanntes Essen vorzufinden gingen wir hinein.

Ich selbst hätte es vermutlich noch länger ausgehalten und auch an anderer Stelle etwas zu essen gefunden, denn Burger oder solche Ketten gehen bei mir als „Notnahrung“ durch. Da gehe ich normalerweise nur rein, wenn es absolut nichts Brauchbares anderweitig gibt. Aber mit so einer Gruppe war mir das dann doch sicherer.

Wir gingen also hinein, bestellten und suchten uns einen Tisch eine Etage höher. Mein Gott sah es da bereits aus! Obwohl es oben fast noch vollkommen leer war, konnten wir auf Anhieb keinen sauberen Tisch finden. Alles war dreckig und zugesaut. Ich versuchte mit Servierten wenigstens so viel Sauberkeit an einem Tisch zu schaffen, dass uns das Essen nicht sofort wieder aus dem Gesicht fiel.

Jedem war klar, dass wir etwas essen mussten und dieses auch drin bleiben sollte. Es wurde nicht viel gesprochen dabei. War halt „Vernunftessen“, weil weit entfernt von jeglichem kulinarischem Genuss! Als wir fertig waren wollte auch keiner mehr bleiben. Wir räumten unseren Tisch auf und machten uns auf den Weg.

Direkt an dieser Praça Floriano lag auch die Metrostation „Cinelândia“, auf die wir zielstrebig zuhielten. Das Aufgebot an Polizei und Sicherheitsleuten war unübersehbar. Man wollte Präsenz zeigen und es schien auch erforderlich zu sein. Es war sehr lebendig und schon jetzt – es war inzwischen dunkel geworden – waren hier Gestalten unterwegs, denen man nicht einmal bei Tageslicht begegnen möchte. Keiner wollte sich ausmalen, wie die wohl in ein paar Stunden aussehen würden, bzw. wie viele von denen dann unterwegs sein mögen.

Die Metrostation war geöffnet, wir kauften jeweils ein Ticket und bemühten uns schnellstmöglich auf die Bahnsteige zu kommen. Hinter den Zugangskontrollen änderte sich das Bild ein wenig und es war weniger turbulent auf den Bahnsteigen.

Auf dieser Strecke laufen zwei Linien. An einem Ende starten beide mit der Metrostation „General Osório“ von wo es nur noch ein kurzer Weg zum Strand von Ipanema ist. Auf der anderen Seite endet die grüne Linie 1 an der Station „Pavuna“. Auf ihrem Weg passiert sie auch das Maracanã-Stadion. Wer sich dort also einmal ein Spiel ansehen will sollte diese Linie 1 wählen.

Die andere Strecke ist die rote Linie 2, die an der Station „Uruguai“ endet. Diese Linie wollten wir nehmen und an der Station „Praça Once“ aussteigen. Die Station liegt direkt am Sambadrom und so wollte ich einen kurzen Weg dahin haben. Dass er dann letztlich doch länger als erwartet wurde konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht erahnen.

Man kann die beiden verschiedenen Metro-Linien übrigens an den Anzeigen der Gleise unterscheiden oder noch einfacher an den jeweils roten oder grünen Streifen, mit denen die Züge oben gekennzeichnet sind. Probleme dürften aber gerade solche Leute haben, die nicht lesen können und zudem auch noch „Rot-Grün-Wechsler“ sind. Aber auch die werden sicher einen Trick haben, um sich zurecht zu finden.

Um die Sicherheit für die Gäste auch in den Zügen zusätzlich zu erhöhen gibt es übrigens einige Wagen in denen ausschließlich Frauen zusteigen dürfen. Die Stellen, an denen diese Wagen halten sind auf den Bahnsteigen markiert.

Als unser Zug einfuhr stiegen wir zu und ich suchte ein Ende des Wagens, um die Gruppe hinter mir zu versammeln. Die Wagen waren zwar recht voll, aber es gab kein Gedränge und alles verlief recht zivilisiert. Die Leute im Zug waren gut drauf und unterhielten sich lautstark. Für uns waren es auch nur fünf Stationen, die wir fahren mussten.

Wie vorgesehen stiegen wir an der Station „Praça Once“ aus. Das taten auch die meisten anderen Mitreisenden, so dass es in der Station lebhaft aber friedlich zuging. Selbstverständlich war auch hier das Aufgebot an Sicherheitskräften unübersehbar.

Am Ausgang angekommen mussten wir durch ein dichtes Gedränge von Menschen. Der Weg war zusätzlich eingeengt durch die vielen Straßenhändler, die allen möglichen Kram anboten von raubkopierten CDs, über Essbares und natürlich auch Tickets.

Tickets auf dem Schwarzmarkt wollte ich aber auf keinen Fall kaufen. Denn erstens sind die Preise meistens überhöht und zweitens kann ich nicht überprüfen ob die Tickets nicht auch gefälscht sind. Lieber gar nichts, als so etwas.

Als erstes gingen wir auf einen der Eingänge zum Sambadrom zu und fragten die Sicherheitsleute wo wir denn offiziell Tickets kaufen könnten. Einige dieser Leute waren ratlos, andere schickten uns zum nächsten Eingang. Wir waren auf der Seite wo die Tribünen mit geraden Zahlen durchnummeriert sind und standen vor „Sektor 2“, gleichbedeutend mit „Tribüne 2“. Wir sollten weiter zu den höheren Sektornummern gehen. Da irgendwo sei eine Kasse. Wir gingen also in die angezeigte Richtung, wobei ich versuchte immer möglichst nahe am Sambadrom zu bleiben.

Jetzt hieß es „Bloss nicht auf falsche Wege geraten“, denn auf der einen Straßenseite war das Sambadrom und direkt auf der anderen Seite ging es in eine Favela. Zum Glück war ich den Weg schon einmal vor einigen Monaten gegangen, so dass ich mir dennoch eine Schleife ersparte. Dort führte nur eine relativ schmale Gasse zwar direkt am Sambadrom entlang, aber auch durch eine schlecht einsehbare Ecke. Also ging es weiter die Straße entlang, links und rechts Favela.

Es waren nur rund hundert Meter bis zur nächsten größeren Straße, wir hielten uns in der Mitte der Straße und versuchten so wenig wie möglich aufzufallen. Das war aber eigentlich unmöglich, denn erstens kann selbst ich inzwischen deutsche Touristen auf über einen Kilometer Entfernung identifizieren und zweitens klagte Ungern schon wieder über ihre Füße. Warum sie auch unbedingt hochhackig durch die Gegend stolzieren musste, wo sie doch schon vorher Probleme mit ihren Füßen hatte wollte ich schon gar nicht mehr wissen.

Mir war es wichtig hier heile aus der Nummer heraus zu kommen. Wobei ich weniger Angst vor der Favela oder den Leuten hier hatte, sondern vor dem unberechenbaren Verhalten der Ungerns. Die Leute, die uns begegneten waren zurückhaltend freundlich und wunderten sich eher, dass sich solche Typen wie wir überhaupt in ihre Gegend trauten.

Entsprechend vermutete ich auch, dass sich die Leute, die es auf Touristen abgesehen haben könnten eher da tummeln würden wo jetzt die Busse entladen würden. Dennoch wollte auch ich nicht unnötig lange in dieser Ecke bleiben, bis dass sich herumgesprochen hätte wer da durch die Straße stochert. Gelegenheit macht eben weltweit Diebe.

Nirgends fanden wir eine Kasse. Wie kann es sein, dass es bei einer solchen Großveranstaltung keine Kassen gibt? Zwar traten sich die Schwarzhändler an jeder Ecke auf die Füße, priesen ihre Tickets an und konnten das offensichtlich auch unter dem Schutz der Sicherheitsleute tun, aber von einer Kasse war weit und breit nichts zu sehen. Unser letzter Stand der Information war inzwischen, dass wir um das gesamte Sambadrom herum müssten und die einzige Kasse auf der gegenüberliegenden Seite sei.

Also ging es weiter entlang des Zauns des Sambadroms auf der einen Seite und der Favela auf der anderen Seite. Dabei mussten wir auch noch langsam gehen, denn Ungern bestimmte mit ihren kaputten Füßen auf ihren hochhackigen Stelzen das Tempo.

Zumindest riss sie sich jetzt zusammen und nervte nicht mit ihrem Gemecker. Ich hatte ihr erzählt, dass es besser sei jetzt die Zähne zusammen zu beißen und zu schweigen, um nicht mehr auf sich aufmerksam zu machen als nötig.

Auf der Höhe des „Sektors 12“, an dem wir inzwischen angekommen waren, führte nur noch ein Fußweg weiter, der nur wenige Meter breit war. Die Bewohner der Häuser hatten auf dem Weg teilweise ihre Grills aufgebaut und sich zusammengesetzt. Kinder spielten und es herrschte eine allgemein gute Stimmung. Ich fand es zumindest angenehmer als in der Gasse gegenüber von unserem Hotel durch die wir zuvor gegangen waren.

Das lag auch ein bisschen daran, dass wir nun an alten Häusern vorbei kamen, die, obwohl weitestgehend verfallen, noch immer ein wenig von den alten Zeiten berichteten. Die Fenster der Häuser waren geöffnet, um frische Luft in die Gebäude zu lassen. Das gab uns Gelegenheit den einen oder anderen Blick in die Häuser zu werfen und somit etwas vom Leben der Menschen zu erfahren.

– So sieht es da tagsüber aus –
Rio - Samba (6)

So abgelenkt erreichten wir endlich das Ende dieser Seite des Sambadroms und konnten nun versuchen auf die andere Seite zu kommen.

Weil wir nun am Ende der Sambapromenade, also der Stelle angekommen waren wo die Sambaschulen nach ihrer Parade das Sambadrom wieder verlassen, war die Straße breit abgesperrt. Noch einmal mussten wir einen großen Bogen gehen, um diese Sperrung zu überwinden und auf die gegenüber liegende Straßenseite zu gelangen. Auf der gegenüber liegenden Straßenseite angekommen konnten wir endlich den schmalen verbliebenen Bürgersteig in Richtung der anderen Seite des Sambadroms gehen.

Aber auch hier waren mehrere Sperren aufgebaut, die wir eigentlich nicht überwinden durften. Ich erklärte den Sicherheitsleuten wiederholt, woher wir kämen, wohin wir wollten und dass es für uns zu gefährlich und zu mühsam (mit Fingerzeig auf Ungerns Füße) sei einen anderen Weg auf die andere Seite, z.B. durch irgendwelche Gassen zu suchen. So arbeiteten wir uns langsam auf die andere Seite des Sambadroms vor und erreichten sie schließlich.

Jetzt ging es darum diese Kasse endlich zu finden. Wir waren immerhin schon eine gewisse Zeit unterwegs und noch spielten alle mit. Unsere letzten Hinweise deuteten auf den Bereich zwischen den Sektoren 9 und 11. Wir waren nicht mehr weit entfernt und die Aussagen der befragten Leute wurden immer eindeutiger.

Nun standen wir zwischen den Sektoren 9 und 11. Aber wo waren die Kassen? Unter der Tribüne des Sektors 11 gab es nur versperrende Container und den Zaun, kein Eingang, nichts. Vor der Tribüne des Sektors 9 gab es zumindest einen Zugang bei dem ich weiter fragte. Die Antwort dort: „ Ja es gibt Kassen und zwar zwischen den Sektoren 9 und 11. Da waren wir, aber wo waren die Kassen?

Zwischen den Tribünen der Sektoren 9 und 11 verlief eine Straße, die aber heute durch Zäume abgeriegelt war. Der Zugang zu dem Bereich zwischen den Tribünen schien unmöglich. Es gab lediglich einen ganz kleinen schmalen Zugang vor dem einige Sicherheitsleute standen, so als würden sie jene kontrollieren, die dort beschäftigt seien.

Ich wusste nicht mehr weiter. Also fragte ich auch sie und bekam die Antwort: „Ja klar, hier bitte durch!“ Das sollte der Zugang zu den Kassen sein? Wir gingen hinein und sahen noch immer nicht wo denn die Kassen sein sollten. Kein Schild, kein Hinweis, auch jetzt noch nicht! Ich kehrte noch einmal zu den Sicherheitsleuten zurück und erklärte, dass ich die Kassen nicht finden könne.

Einer der Sicherheitsleute begleitete mich nun und zwar zwei Meter weiter als bis zu dem Punkt, an dem ich ratlos umgekehrt war! In einem der aufgestellten Container gab es eine kleine Luke. Dahinter befand sich die Kasse! Ich bedankte mich bei meinem Guide und war froh endlich am Ziel zu sein. Auch in der Gruppe war die Erleichterung spürbar.

Jetzt ging es um die Frage, ob denn noch Tickets verfügbar seien und was sie denn kosten würden. Wir hatten Preise von um die hundert Euro im Kopf und waren darauf eingestellt. Nun wurden aber nur noch „Restplätze“ verkauft zu einem Preis von 50 Real (umgerechnet ca. 12 Euro). Da musste keiner mehr lange überlegen. Die Auswahl war ohnehin auf Sitzplätze in der Tribüne 9 beschränkt, so dass es keine weitere Diskussionsgrundlage gab.

Leicht erschöpft, aber dennoch erleichtert und froh über den niedrigen Preis gingen wir zum Eingang der Tribüne 9. Die Einlasskontrollen standen denen auf Flughäfen in nichts nach. Nachdem wir die letzte Schranke durchschritten hatten wurde ein Teil unseres Tickets abgerissen und wir behielten eine Karte um unseren Hals gehängt.

Der Teil, welcher abgerissen war ähnelte sehr jenen Tickets, die mir zuvor auf der Straße angeboten wurden. Kann es sein, dass die Leute da Tickets verkaufen, die bereits entwertet waren? Na ja, uns hatte es besser erwischt und sollte nicht mehr interessieren!

Unter den Tribünen gab es nun alle Möglichkeiten sich mit Getränken und Essen zu versorgen. Im Gegensatz zu den Buden die wir zuvor an den Straßen gesehen hatten sahen die Container, in denen verkauft wurde ordentlich, aufgeräumt und sauber aus. Das erste Bier war leer bevor wir die Treppe zum Aufstieg auf die Tribüne erreicht hatten!

Wir stiegen die Treppen hoch und nahmen unsere Plätze auf der Tribüne ein. Puuh! Rechtzeitig geschafft – das Spektakel hatte noch nicht begonnen. Die Tribünen bestehen nur aus Beton und Stahl. Die Sitzplätze sind die breiteren und höheren Betonstufen mit einer Sitzplatzbeschriftung. Durch die tägliche Sonnenbestrahlung waren die Stufen warm. Eine Sitzunterlage war lediglich erforderlich, um sich nicht unnötig zu verschmutzen, denn natürlich läuft jeder über diese Plätze je nach Lust und Laune, wenn da gerade niemand sitzt.

Endlich konnten wir entspannen, bestellten Getränke nach und harrten der Dinge die da kommen würden. Um uns herum viel internationales Publikum, sogar ein weiterer Deutscher. Offensichtlich war dies die Tribüne auf der hauptsächlich Touristen einen Platz finden sollen. Es gibt auch Tribünen auf denen z.B. die Bewohner der Favelas ihren Platz finden, die in der jeweiligen Nacht ihre Sambaschulen präsentieren. Diese Ordnung hatte sich in den vergangenen Jahren ausgebildet.

Der heutige Tag war Freitag und damit der erste Tag der Paraden. Nun muss man sich das jetzt nicht einfach als eine Parade der Sambaschulen vorstellen, die sie aus reiner Lust und Freude aufführen. Im Grunde handelt es sich um einen Wettbewerb, bei dem es um sehr viel Geld geht. Dabei gibt es auch eine gewisse Ordnung, die jener der Fußballligen ähnlich ist. Heute, am Freitag und am folgenden Samstag, traten all jene Sambaschulen auf, die sich aus der zweiten Liga einen Aufstieg in die erste Liga erhofften.

Um den Gesamtsieg kämpften dann jeweils sonntags und montags die insgesamt zwölf Sambaschulen der ersten Liga. Für uns Ignoranten in Sachen brasilianischer Karneval sollte dieser Abend aber ausreichend sein, um einen Eindruck zum Karneval im Sambadrom zu erhalten.

Pünktlich um 21 Uhr ging es dann los und mit einem großen Feuerwerk zog die erste Sambaschule in die etwa 700 Meter lange und 1984 vom weltbekannten brasilianischen Oscar Niemeyer erbaute Anlage ein. Er hat die moderne Architektur Brasiliens maßgeblich geprägt, entwarf für die brasilianische Hauptstadt Brasília (inzwischen zum Weltkulturerbe erklärt) die Gebäude und arbeitete bis zu seinem Tod mit fast 105 Jahren. Als er 2012, wenige Tage vor seinem 105-ten Geburtstag starb, ordnete der Gouverneur des Bundesstaates Rio de Janeiro eine dreitägige Staatstrauer an.

Wir hingegen taten nun das was Leute tun, die von einer Sache keine Ahnung haben. Wir schauten, staunten und versuchten zu verstehen! Insbesondere überrascht waren wir von der großen Anzahl der Teilnehmer. Aufgeteilt in verschiedene Blöcke tanzten Gruppen und Einzelpersonen, angeführt von König, Königin und zwei Prinzessinnen der jeweiligen Sambaschule.

In gleichmäßigen Abständen sind Uhren aufgestellt, denen die Schulen entnehmen können, wie weit sie sind und wie viel Zeit ihnen bleibt. Denn das wussten wir schon – innerhalb einer Stunde muss die gesamte Schule durch sein, sonst gibt es Strafpunkte. Unten haben Koordinatoren diese Uhren im Auge, die dann den Zug vorantreiben, sobald eine gewisse Zeit verstrichen ist.

Zwar steht in einigen Programmen, dass jede Gruppe nur 50 Minuten an Zeit habe. Das konnten wir an dem Abend aber so nicht beobachten, denn fast alle Gruppen schöpften die vollen 60 Minuten aus. Auch klappte es mit den fünf Minuten, die eine Gruppe auf die nächste folgen sollte nicht, so dass wir schnell über den programmierten Zeitrahmen hinaus waren. Na ja, wir sind in Brasilien und wer hätte etwas anderes erwartet? 😉

Jede Sambaschule hatte ein eigenes Thema und auch eine eigene Musik. Die Schule als Ganzes hatte dann eine Musikkapelle, die meistens aus mehreren hundert Personen bestand. Die Kapelle wurde von Leuten begleitet, die Mikrofone hielten, über welche dann die Musik in die gesamte Anlage des Sambadroms gespielt wurde. Auch hatten sie meistens einen oder mehrere Sänger dabei. Aber ich konnte nicht herausfinden wo die denn waren. Diese Sänger sind oft bekannte Persönlichkeiten, was man am Applaus der Besucher feststellen konnte.

Nachdem die erste Sambaschule durch war waren wir schon erstaunt darüber wie viele Leute an dem Umzug nur dieser einen Schule teilgenommen hatten. Das waren mit Sicherheit einige tausend Leute, die da verteilt auf mehrere Gruppen den gesamten Festumzug ausmachten. Dazu gab es in der Regel drei große Festwagen, die aus zwei bis drei aneinander gekoppelten Fahrzeugen bestanden und in Deutschland durch keine Kurve gekommen wären. Sie nahmen teilweise die gesamte Breite der Passage ein und waren herrlich dekoriert.

– Eindrücke aus dem Sambadrom –
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Dieses Schauspiel sollte sich an diesem Abend für uns sechs Mal darstellen. Nachfolgend habe ich versucht einige Höhepunkte der sechs Gruppen, welche wir beobachten konnten in kleinen Videos zusammenzufassen.

Die letzte Gruppe wollten wir uns dann doch nicht mehr ansehen, denn es war inzwischen spät in der Nacht geworden.

Nicht nur von der Anreise waren wir erschöpft und wollten zurück ins Hotel. Wir waren auch nicht die einzigen, die so langsam den Rückweg antraten. Eigentlich schade, denn auch die letzten beiden Gruppen hätten ein vollständiges Publikum verdient gehabt. Aber die Rahmenbedingungen der Veranstaltung wurden nicht von uns vorgegeben.

Dennoch; wenn das was uns an diesem Abend geboten wurde die „2. Liga“ war, dann habe ich dafür nur ein Wort: Respekt! Das war schon echt klasse. Sicherlich haben die Sambaschulen der folgenden Tage das auch noch überboten, aber für uns als Neulinge und Ignoranten war das eine tolle Vorstellung und wir hatten viel Spaß dabei!

Wieder zurück auf der Straße versuchten wir Taxen für uns zu organisieren, was schwieriger war als gedacht. Auf unserer Seite, von wo es nur ein kurzer Weg zum Hotel gewesen wäre, standen überhaupt keine Taxen. Wir mussten weiter gehen zu einer Hauptstraße auf der gelegentlich Taxen vorbei kamen und anhielten.

In das erste Taxi welches anhielt stiegen die Ungerns und eine weitere Person aus unserer Gruppe, so dass wir zu dritt zurück blieben. Kurz danach hielt ein weiteres Taxi und wir stiegen ein. Die Fahrt gestaltete sich dann aber als schwieriger als gedacht, denn die Polizei hatte die komplette Innenstadt für den Verkehr abgeriegelt. Immer wieder fanden wir uns in Staus oder vor Barrieren und mussten umdrehen. Angeblich versuchte der Taxifahrer was auch immer er konnte.

Dennoch war ich überzeugt, dass auch er wusste wie man ein paar Gringos während einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt bei Laune hält. Als er dann auf den Flughafen Galeão zuhalten wollte platzte mir der Kragen. Ich holte meinen Kuli raus und notierte mir seine Lizenznummer. Dann sagte ich ihm, wenn er schon nicht den Weg in die Stadt finden würde, dann solle er uns an einer Metrostation heraus lassen.

Er erwiderte, dass die erst ab vier Uhr wieder fahren würde, worauf ich lapidar sagte, dass wir so dennoch schneller im Hotel seien, als wenn wir noch eine längere Stadtrundfahrt mit ihm unternehmen würden. Und siehe da, plötzlich hatte er noch eine Idee, wie es gegebenenfalls klappen könnte uns zum Hotel zu bringen.

Es ging durch nächtliche Straßen in Lapa und nach nicht langer Fahrt waren wir wieder in der Nähe des Praça Floriano und letztlich am Hotel. Geht doch, aber erst einmal die Gringos abziehen! Nun, wir zahlten hundert Real für die nächtliche Stadtrundfahrt, was beim damaligen Wechselkurs in etwa 23 Euro entsprach. Für das Geld würde mich in Deutschland kein Taxi nachts in den nächsten größeren Nachbarort fahren. Also was soll’s? Wir hatten etwas erlebt und waren heil angekommen! Das war es worauf es letztlich ankam!


Hier geht es weiter: Brasilien 2016 – Tag 16 – Die Kralle am Hals


Ich hoffe, dass die Geschichte bisher gefallen hat. Falls ja, warum nicht die eigenen Freunde darauf aufmerksam machen? Damit sie nicht suchen müssen, schicke ihnen diesen Link, der auch zurück zur Übersicht führt: Freundschaftsreise nach Brasilien 2016


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