Amazonas – Die Docks von Belém

Als ich den „Mercado de Ferro“ verließ wurde es bereits dunkel. Einige Stände waren schon geschlossen oder abgeräumt. An anderen war man noch eifrig dabei aufzuräumen und mit einem kurzen Schwatz den Arbeitstag zu beenden.

Ich beobachtete die wenigen Menschen, die noch letzte Hand an ihren Stand legten, Kisten zu sperrten und in Gedanken schon nicht mehr hier waren. Andere unterhielten sich laut und lachend bei ihren Aufräumarbeiten. Die Putztruppe fegte durch die nun verwaisten Gänge. Vom Wasser her blies ein gleichmäßiger Wind die Gerüche des Marktes hinfort.

Ausstellungspuppen wurden in Gruppen zusammengestellt und eingepackt. Es sah teilweise so aus, als steckten gleich mehrere in einem einzigen engen Kleid. Mit den Menschen um sie herum wurde deutlich wie weit Wunsch und Wirklichkeit auch in Brasilien auseinander liegen. Schnell wurde es ruhig und leer.

– Puppen im Gruppendress –
– Puppen in Reih und Glied –
– Verlassene Markthallen –

Für mich wurde es Zeit mich etwas intensiver auf die Suche nach einem Restaurant zu machen, das spürte ich und konnte es auch nicht länger verdrängen. Zwar bin ich da hart im Nehmen, denn oft ist auf meinen Reisen kein Restaurant in der Nähe oder eben keine Zeit.

„Fast Food“ gilt mir hingegen als „Not-Nahrung“ auf die ich erst dann zurückgreife, wenn absolut nichts mehr geht. Mit Ausnahme des Frühstücks in Rio und einer kleinen Tüte mit Snacks im Flieger hatte ich bisher noch nichts gegessen. War es jetzt Zeit für „Not-Nahrung“?

Als ich so am Ende des Marktes angekommen war erblickte ich ein hell erleuchtetes Gebäude. Überhaupt schienen sich auch viele andere Leute in eben jene Richtung zu begeben. Mich trennte nur noch ein kleiner Park von dem Gebäude, den ich schnell durchquerte.

Unvermittelt befand ich mich zwischen vielen Tischen mit Stühlen, die zu einem Restaurant gehörten. Das Gebäude dahinter muss Teil einer alten Hafenanlage gewesen sein, denn zwischen ihm und dem Wasser befanden sich alte gelbe Hafenkräne, so wie man sie auch von anderen Hafenorten her kennt.

– Modernisierte Hallen vor alten Kränen –

Genau genommen waren es ziemlich lange Hallen die, entlang der Wasserlinie aufgebaut, vormals Lagerhallen waren. In ihnen wurden die Waren so lange gelagert bis sie entweder von einem Schiff oder Lastwagen zu ihren nächsten Bestimmungsorten gebracht wurden.

Doch zunächst interessierte mich die Speisekarte des Restaurants und ich wurde fündig. Ich wählte Fisch und dazu noch einen Halben Bier. Es ging wieder aufwärts mit mir.

Mein Tisch lag direkt an der Kaimauer. So hatte ich alles im Blick, konnte die Boote auf dem Fluss beobachten und auch dem anderen Treiben um mich herum zuschauen.

Nicht weit von mir entfernt lagen einige größere Boote. Ich war mir nicht sicher, ob es sich um Touristenboote handelte mit denen man eine „Hafenrundfahrt“ machen konnte, oder ob es Personenfähren waren, mit denen die Menschen auf die andere Seite des Wassers kommen konnten. Vielleicht war es beides, denn das Wasser dürfte ein wichtiger Verkehrsweg in der Gegend sein.

Und tatsächlich legte auch schon eines jener Boote mit viel Musik ab, während ich, mein Bier schlürfend, auf das Essen wartete.

– Auf zur nächtlichen Bootsfahrt –

Vor dem Eingang zur Küche spielte eine Band leichte Musik. In Brasilien ist es nicht so üblich Musik aus der Konserve zu ziehen, sondern jede Bar und jedes Restaurant, also alle, die etwas auf sich halten bieten Lifemusik an. Zwar gehe ich davon aus, dass die Musiker nicht durch ihr Spielen reich werden, aber dennoch finde ich es toll, dass man ihnen diese Chance gibt.

Woran es in Deutschland hapert, dass man sich da meistens mit Musik aus Radio oder einer Endlosschleife (inzwischen vom Smartphone gesteuert) begnügen muss verstehe ich nicht. Vielleicht schrecken aber auch die GEMA-Gebühren so ab, dass sich das Geschäft nicht mehr für alle Seiten attraktiv realisieren kann. Sollte die GEMA nicht auch mal die Musiker schützen oder geht es nur noch darum die großen Musikverlage mit Einnahmen zu versorgen? Die Frage drängt sich zumindest für einen Außenstehenden auf.

Nun ja, hier war die Welt für mich in Ordnung. Es wurde dunkel. Schmutz und Elend der Stadt verschwanden darin. Stattdessen strahlten diese Docks vor dem großen Wasser. Es war inzwischen auch recht voll geworden. Die, wie Matrosen gekleideten Kellner hatten alle Hände voll zu tun.

Mein Essen kam als sich eine Gruppe von Tänzern einfand. Mit einem großen Hallo wurden sie von der Band empfangen. Sie hatten sich wohl seit gestern (also ziemlich lange) nicht mehr gesehen 😉 . Dann zogen sich die Tänzer hinter einem geschlossenen Verkaufsstand um und die Musik setzte das Programm fort.

Als die Tänzer bereit waren gab es eine kleine Pause. Ohne besonders vom Management angekündigt zu werden gingen sie zu einer kleinen Freifläche und stellten sich auf. Die Musiker hatten ihre Instrumente umgestellt oder gewechselt und machten sich bereit für das nun folgende Programm.

Als sie aufspielten erklangen Lieder, die ich aus einem Computerspiel kannte. Bei dem ging es um Pirateninseln, die man quasi am Computer „managen“ musste. Schon damals war ich von der Musik fasziniert, die mit ihrer hellen Flöte eine karibische Leichtigkeit ausstrahlte. So war ich eben auch jetzt wieder begeistert diese Klänge zu hören.

Die aus vier Paaren bestehende Tanzgruppe führte eine Reihe von karibischen Tänzen auf. Unvermittelt sah ich mich, vor der Kulisse der alten Häuser von Belém auf der einen Seite und dem breiten Gewässer auf der anderen, zurück versetzt in die alten Zeiten, in denen noch viele Piraten das Geschehen der Region bestimmten. Ich war mit mir und meinem Umfeld zufrieden. War doch alles friedlich um mich herum!

 – Abendlicher Tanz –
– Im Hintergrund Schiffe auf dem Wasser –
– Tanz der Meeresgöttin –
– Wichtige Palmen  –
– Karibik pur –

Nachdem die Tänzer ihr sehr abwechslungsreiches Programm beendet hatten begaben sie sich zwischen die Zuschauer, um sie zum mit tanzen zu animieren. Die meisten Leute ließen sich jedoch nicht bewegen und setzten ihren Plausch an den Tischen wieder fort. Es wurden einigen Selfies mit den Tänzern gemacht und dann war das Programm zu Ende.

Einige Bierchen später machte ich mich dann auch auf und schlenderte entlang der Kaimauer. Linker Hand das Wasser blickte ich rechts in den vollständig verglasten langen Raum der ehemaligen Lagerhallen. Es reihte sich ein Restaurant an ein anderes. Manche von ihnen hatten auch eine Außenterrasse. Alle Plätze schienen belegt zu sein.

Dieser Ort war offensichtlich ein beliebter Treffpunkt – zumindest für jene, die sich die Preise leisten konnten. Zwar fand ich als Europäer die Preise als angemessen, weder teuer noch günstig. Aber für die meisten Bewohner von Belém waren sie bestimmt unerschwinglich. Entsprechend sahen auch die Besucher aus, die überwiegend gut gekleidet den Abend genossen.

 – Entlang der Kaimauer –

Sehr schön fand ich die auf den Schienen der Kaimauer stehenden alten Kräne, welche nun neu restauriert in hellem Gelb der ganzen Szene einen besonderen Akzent gaben. Mir gefiel dieser Ort. Es war angenehm warm und ich genoss es hier sein zu dürfen.

Längst hatte ich vergessen welche Unwetter heute über die Stadt gezogen waren und welche Schäden sie verursachten. Hier an den Docks war von den Stromausfällen nichts zu spüren und sogar der Internetzugang funktionierte, so dass ich wenigstens ein paar Nachrichten absetzen konnte. Ich gehe davon aus, dass die Docks eigene Notstromaggregate haben, denn wenn es außerhalb dieser kleinen Welt auch drunter und drüber gehen mag. Hier schien man sich davon nicht beeindrucken zu lassen.

– Die alten Kräne stehen noch und … –
– … setzen eigene Akzente –
– Man lässt es sich gut gehen –

Für mich stand fest, dass ich morgen noch einmal hierher kommen wollte, um mich auch innen umzusehen. Für heute war ich aber erledigt und ging durch die Nacht zurück zu meiner Herberge. Auf den Straßen war noch viel Verkehr, so dass ich mich auf dem Rückweg auch nicht unsicher fühlte.


Wie war die Vorgeschichte? Hier beginnt die Erzählung!

Alles was ich bisher über den Amazonas und meine Reise geschrieben habe findest Du hier.