Die Casa Rosada

Nun, da sich im „Weißen Haus“, also dem „White House“ in Washington (es gibt schließlich noch mehrere „weiße“ auf der Welt) gravierende Veränderungen abspielen und Barack Obama seine für acht Jahre angemieteten bescheidenen Wohnräume an seinen Nachfolger Donald Trump weitergibt, bin ich schon gespannt wie dieser mit diesem reduzierten Prunk klarkommen kann oder wird er doch lieber weiter aus seinem Chaosbüro im Hochhaus regieren? Egal – ich will mich lieber mit einem anderen „bunten“ Haus beschäftigen, zu dem ich einige Parallelen sehe.

Dieses andere Haus ist ebenfalls Sitz des jeweiligen Präsidenten seines Landes und hat viel Geschichte geschrieben. Auch wird dieses Haus nach seiner Wandfarbe benannt. Als vorerst letzte weitere Parallele möchte ich anführen, dass bei der letzten Amtsübergabe der jeweils regierenden Präsidenten ebenfalls viele Menschen von gravierenden Veränderungen für das Land ausgingen, die meines Erachtens aber bis heute noch nicht so eingetreten sind.

Es geht um die „Casa Rosada“ in Buenos Aires. Ich gebe zu, dass ich der „Casa Rosada“ keine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen würde, wenn es da nicht eine Besonderheit gäbe. Anders als Regierungsgebäude in vielen anderen Ländern, in denen sich selbstverständlich auch immer bedeutende Geschichte ihres Landes abgespielt hat und noch immer abspielt, ist die „Casa Rosada“ regelmäßig an einigen Tagen der Woche für jedermann frei und kostenlos zugänglich.

An Wochenenden und Feiertagen kann die „Casa Rosada“ besichtigt werden. Nicht nur das; es werden dann in der Zeit von 10 bis 18 Uhr sogar kostenlose Führungen angeboten, die ich ganz prima fand. Dieses Regierungsgebäude wird zwar weiterhin für Regierungsgeschäfte genutzt, aber überwiegend nur bei repräsentativen Anlässen, da es sich um den offiziellen Amtssitz des amtierenden Präsidenten handelt.

Es gibt noch einen weiteren offiziellen Sitz des regierenden Präsidenten in Olivos nördlich von Buenos Aires. Dieser andere Regierungssitz dient überwiegend der Erholung und der informellen Repräsentation. Nun ja, wenn es sich der Staat leisten kann, dann will ich mal nichts sagen. 😉

Egal zurück zu meinen Erlebnissen in der „Casa Rosada“. Denn auch ich habe eine solche Führung durch das Haus mitgemacht und bin so nun auch in der Lage etwas darüber zu berichten.

Um ehrlich zu sein bin ich rein zufällig da hinein geraten, denn es war Wochenende und ich war auf dem Weg nach San Telmo. Jeden Sonntag gibt es dort im Stadtteil einen Flohmarkt, der sich im Laufe der Zeit auch den regelmäßigen Besuchen durch Touristen angepasst hat.

Nun war ich auf dem Weg dahin und als ich so unvermittelt auf der Plaza de Mayo stand war dieser Platz von der „Casa Rosada“ durch einige hohe Gitter abgesperrt und ich dachte noch so bei mir „schade“, denn etwas näher wäre ich dem Haus schon gerne gekommen, um es mir zumindest von außen genauer ansehen zu können. An die Möglichkeit es gar betreten zu können hatte ich erst recht nicht gedacht.

Nun stand ich also an dem Zaun, der mir bei früheren Besuchen noch nie als so hoch aufgefallen war und versuchte durch das Gitter das eine oder andere Foto zu machen. Dabei beobachtete ich immer aus den Augenwinkeln die in kleineren Gruppen um den Platz herum stehenden Polizisten.

Man weiß ja in heutigen Zeiten des Terrorismus nie, wie die Sicherheitsorgane darauf reagieren, wenn da jemand Fotos von staatlichen Einrichtungen macht. Es könnte schließlich auch jemand sein, der etwas „ausspäht“. Aber die Polizisten ließen sich nicht von mir beunruhigen.

Andererseits beobachtete ich einige Leute, die sich in dem Bereich aufhielten, der zwischen meinem Zaun und der „Casa Rosada“ lag. Ich fragte mich ob es da vielleicht einen offiziellen Zugang gäbe durch den ich möglicherweise eintreten könnte, um bessere Bilder zu machen.

Dann ging ich weiter am Zaun entlang, um zu sehen wo denn vielleicht der Eingang sein könnte. Am Ende des Zaunes angekommen stand dort ein großer Container, in dem die Polizisten offensichtlich ihre Bereitschaftsräume und ihr (Waffen-)Lager hatten.

Als ich gerade fragen wollte wohin ich denn gehen müsse, um in den Bereich hinter den Zaum zu kommen passierten uns einige Leute, die einfach an dem Container vorbei auf die „Casa Rosada“ zu gingen. Da war hinter dem Container überhaupt kein Zaun mehr? Aha?!

Also verzichtete ich auf die Kontaktaufnahme zur Staatsgewalt und schlich mich ebenfalls um den Container herum. Niemand rief hinter mir her. So ging ich fleißig weiter fotografierend auf den Rosa Palast zu und lernte dabei General José de San Martín kennen, der als Patriot die Argentinische Flagge erfunden haben soll und nun auf seinem Pferd sitzend den Rosa Palast bewachte.

Mit jenem „Sankt Martin“, dem so manche Gans jährlich ihr Leben opfert war er jedenfalls nicht identisch, denn der war Römer. Außerdem würde dann heute statt der uns bekannten argentinischen Flagge da wohl ansonsten ein halber Mantel über dem Palast flattern. 😉

– Information über General San Martín –

General San Martín sitzt auf seinem Ross und bewacht den Rosa Palast. Selten wird so intensiv auf die Hufe von Pferden geschaut, wie bei Reiterstandbildern, egal ob gemalt oder als Statue im Park.

Eine angebliche Regel lautet: Steht das Pferd auf allen vier Hufen, dann sei der Reiter unverletzt aus einer Schlacht gekommen. Bei einem erhobenen Huf wurde er verwundet, bei zwei erhobenen Vorderhufen sei er im Kampf gefallen. Das würde schon mal gar nicht erklären warum sich auch Leute auf einem Pferd sitzend darstellen ließen, die nie im Krieg waren.

Deshalb soll eine andere Regel besagen, dass bei vier Hufen auf dem Boden die Person überhaupt nie im Krieg war, bei einem erhobenen Vorderhuf habe die Person in einem Krieg gekämpft und bei zwei erhobenen Vorderhufen sei die Person im Kampf gefallen.

Tatsächlich lässt sich keine der beiden Regeln belegen und ich frage mich was denn wohl ein oder zwei Hinterhufe in der Luft bedeuten sollten? 😉

Egal, unser General San Martín ist jedenfalls ein Volksheld der Unabhängigkeit Argentiniens und weiterer südamerikanischer Staaten. In Chile kämpfte er mit Bernardo O’Higgins der anschließend erster Präsident Chiles wurde und in Peru zusammen mit Simón Bolívar nach dem anschließend sogar ein ganzes Land benannt wurde.

– Statue des Generals San Martín –

Am Ende starb San Martín in Südfrankreich altersschwach und krank im Bett, was ihm auf dem Reiterdenkmal sein Ross mit dem erhobenen Huf honoriert! Frage mich jetzt keiner ob es da einen Unterschied geben mag zwischen linkem und rechtem Huf. 😉 Nach einigen Jahren in französischer Erde wurde er als Volksheld nach Argentinien gebracht.

Eigentlich hätte da nun irgendwann jemand kommen müssen, um mir zu erklären, dass ich mich dem Gebäude nicht so sehr nähern dürfe. Aber letztlich stand ich vor dem Westportal der „Casa Rosada“, weiterhin ein wenig irritiert und zögerlich. Ich wartete ab bis wieder Leute kamen und in das Gebäude gingen. Niemand zeigte eine Einladung oder einen Ausweis vor. Also auf, denn wer zu lange zögert, den bestraft irgendwann das Leben.

In der Eingangstüre gab es ein Röntgengerät und eine Magnetschleife zur Suche nach verbotenen Gegenständen, so wie man das auch von Flughäfen her kennt. Es gab jedoch keinerlei Probleme und schon war ich drin in der „Casa Rosada“.

– Empfangshalle hinter dem Westportal –
– Blick aus der Empfangshalle nach oben –

Der erste Raum, den ich betrat war ein großer Kuppelsaal. An den Wänden hingen die Bilder der Nationalhelden. Zu sehen waren unter anderen die bereits genannten Herren San Martín, Bolívar und O’Higgins. Aber auch weitere Personen der Geschichte Argentiniens und Südamerikas, wie „Che“ Guevara, Salvador Allende und selbstverständlich auch die unvergessene Volksheldin Evita Perón hatten dort ihren Platz gefunden.

– „Evíta“, Eva Perón –

Ich schaute mich einige Zeit um und versuchte herauszufinden, wie es denn nun weiter gehen könne. Einige Teile konnte man offensichtlich alleine erkunden. Aber es wurden auch immer wieder Gruppen abgeholt und in einen weiter hinten gelegenen Raum geführt.

So fragte ich nach wie es denn weiter gehe. Man gab mir eine weiße Karte in die Hand uns sagte, dass die nächste „Weiße Gruppe“ in etwa einer halben Stunde dran wäre. Aha, so ging das also.

Um mir die verbleibende Zeit zu vertreiben schlenderte ich durch die frei zugänglichen Patios und filmte mir die Zeit weg.

– Der Patio „Malvinas Argentinas“ –
– Im „Patio de las Palmeras“ –
– Brunnen im „Patio de las Palmeras“ –
– Wirkt irgendwie andalusisch –
– Blick von der Galerie –
– Ein ruhiger Patio mitten in der lebhaften Stadt –
– Im „Patio del Aljibe“ –
– Auch „Patio del Aljibe“ –

Dann wurde meine Gruppe aufgerufen und wir bildeten eine kleine Schlange vor einer Türe, die sich kurz danach öffnete. Unsere Führerin stellte sich vor und erläuterte die Geschichte Argentiniens und welche besonderen Ereignisse eben mit diesem Haus verbunden waren. Auch an Wänden und Exponaten wurde die Geschichte Argentiniens, aber auch von anderen Teilen Südamerikas dargestellt. Die Führung wurde in spanisch und englisch durchgeführt.

– Die „weiße Schlange“ baut sich neben „Che“ auf –
– Die Führung beginnt –
– Exponate und Wandbilder erzählen Geschichte –

Anschließend ging es durch verschiedene Räume und Innenhöfe. Letztere muteten sehr spanisch an und hätten auch gut nach Andalusien gepasst. Die Räume hingegen waren unterschiedlichen Themen gewidmet, je nach Ausstattung. Nüchterne Zweckräume wechselten sich mit teilweise barock überladenen Festsälen ab.

– Salon der Denker, Schriftsteller und Musiker –

Auch Mercedes Sosa fand ich dort, deren Konzert ich damals in Madrid besuchen konnte. Das war zu einer Zeit, als Südamerika auch für mich noch sehr weit entfernt war und ich durch Freunde auf diese bedeutende Künstlerin aufmerksam gemacht wurde. Haydée Mercedes Sosa wurde von ihrem Publikum liebevoll La Negra („die Schwarze“) genannt und war eine sehr populäre Sängerin südamerikanischer Folklore und politischer Protestlieder.

– Mercedes Sosa –

Ich konnte fast überall filmen und fotografieren, allerdings ohne einen Blitz zu benutzen, damit die Farben von Bildern und Einrichtung nicht darunter leiden. So war ich stets der letzte, der den jeweiligen Raum verließ und teilweise das Fortkommen der gesamten Gruppe behinderte. War mir aber auch egal. 😉

– Von diesem Balkon „Don’t cry for me Argentina“ –
– Verschiedene Besprechungsräume –
– Dieser Salon ist nicht dem Präsidenten gewidmet, sondern „Eva Perón“ –– Salon „Eva Perón“ –
– Die Peróns –
– Der „Weiße Salon“ –

Einzig im Arbeitszimmer der damaligen Präsidentin, durfte nicht fotografiert werden. Einen schönen Überblick und weitergehende Informationen erhält man auch auf den Seiten der „Casa Rosada“. Insgesamt dauerte die Führung ungefähr eine Stunde.

Was ich bemerkenswert finde, und das gilt auch für einige andere Länder Südamerikas, ist der offene Umgang mit dem was man auch als „Staatsvermögen“ bezeichnen könnte. Ja richtig, man kann auch den Reichstag in Berlin besichtigen. Aber irgendwie habe ich in Europa immer den Eindruck, dass es um die Präsentation der „Schaltzentralen“ geht, während in Südamerika eher der Eindruck vorherrscht der Bevölkerung zu zeigen was ihr, also „der Bevölkerung“  gehört.

So gibt es beispielsweise in Uruguay einen „Día del Patrimonio“, also einen Tag des gemeinsamen Vermögens (oder Erbes), an dem alle öffentlichen Gebäude der Bevölkerung frei zugänglich sind und sogar die Schiffe der Marine können besichtigt werden. In meinen Augen drückt sich da auch eine engere Verbundenheit zum Staat, aber auch umgekehrt vom Staat gegenüber den Bürgern aus, als ich das derzeit in Europa spüre. Von „Volk“ redet in Südamerika eh keiner, bei den vielen unterschiedlichen Wurzeln! 😉


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